Das Kind in mir

Cover MettnitzerPerspektiven eines geglückten Lebens: Wenn das reife Alter sich mit der Begeisterung der Kindheit verbindet.

Arnold Mettnitzer, Psychotherapeut und Theologe, gelang ein berührendes Buch, in dem er eigene Erfahrung mit Beispielen aus der Weltliteratur und der Bibel zu einem symphonischen Ganzen verarbeitet. Sich mit dem inneren Kind zu verbinden ist zu einer modernen Phrase geworden. Nicht so in diesem Buch. Es geht nicht (nur) darum, Anschluss an die frühere Unbefangenheit und Offenheit zu finden, sondern das Leben zu einem gelingenden abzurunden.

Es ist schwierig, den Inhalt dieses Buches zu skizzieren – und auch gar nicht notwendig. Wie bei wenigen Büchern geht es hier darum, weiterzudenken, sich eigene Gedanken zu machen. Auch weil es darin nicht so sehr um Rationales geht, sondern um das, was der Autor „Psycho-Logik“ nennt, in der immer wieder Paradoxien aufleuchten. Es geht darum, wiederzuentdecken, was verlorengegangen ist, was aber auch nur dann geht, wenn man vergessen kann, was man zu finden geglaubt hat. So scheint es, dass wir uns zu weit vom Kind Sein entfernt haben, wenn wir nach dem inneren Kind suchen. Tatsache ist, dass wir nie erwachsen geworden sind, wenn wir nicht diesem inneren Kind (wieder) begegnet sind.

Dieses innere Kind zu suchen, bedeutet auch nicht, sich zurückzuwenden, sondern sich etwas zu bewahren, das ansonsten verschüttet wurde – durch den Zwang zur Rationalität, zur Tüchtigkeit, der die Welt angeblich gehört, zum Zweckdenken. Doch genau dieses angeblich „erwachsene“, rationale Zweckdenken hat uns daran gehindert, erwachsen zu werden, indem es ihm nur um das – kindische, nicht kindliche – Habenwollen ging.

Werden wie die Kinder – heißt es in der Bibel. Werden, nicht bleiben! In vielen Zitaten aus der Weltliteratur legt Mettnitzer nahe, dass es eine gewisse Reife erfordert, diesem inneren Kind (wieder) zu begegnen. Dass man erst im reiferen Alter versteht, was einem Kind selbstverständlich ist oder war.

Immer wieder wird der Hirnforscher Gerald Hüther, der so überzeugend darlegte, dass ein Kind sich bis zu fünfzigmal am Tag für etwas restlos begeistert – bevor es zur Schule geht. Das Gehirn ist plastisch bis ins hohe Alter, es wird zu dem, wofür es benützt wird, und am besten zu dem, wofür es mit Begeisterung benützt wird. Diese Begeisterungsfähigkeit ist es, die uns das innere Kind wiedergeben kann. Und die uns (wieder) lebendig machen kann, denn „alles, was ein Mensch mit Begeisterung tut, macht ihn lebendig“. Daher geht es dem Autor auch um den Luxus, die Dinge, die wir im Moment tun, mit Leib und Seele zu tun. Das wäre sinnvoll verbrachte Zeit, denn die gemessene Zeit kann keine Auskunft geben über erfüllte Zeit, oft verdichtet in einem Augenblick.

Wie schon erwähnt, ein Buch, das zum Weiterdenken verführt…

 

Arnold Mettnitzer: „Das Kind in mir. Perspektiven eines geglückten Lebens“. Verlag Styria premium 2014. ISBN 978-3-222-13465-4. EUR 9,99

Ökumene: Wann kommt die Einheit?

Band 4 der Kardinal König Bibliothek ist der Ökumene gewidmet.

Es geht um dLayout 1ie Nachwehen des 2. Vatikanischen Konzils, könnte man sagen, denn das Kind hat noch nicht wirklich gehen gelernt. Trotzdem ist einiges passiert, sogar in der heiklen Frage der Ökumene. Das 2. Vatikanum war zweifellos eine Wende im Bereich der Ökumene und Kardinal Franz König spielte eine entscheidende Rolle, so dass er als „Wegbereiter der Ökumene“ bezeichnet wurde.

Mit der von ihm gegründeten Stiftung Pro Oriente schuf er ein Instrumentarium, mit dem er das Thema in Eigenverantwortung vorantreiben konnte und vertrauensbildende Kontakte zu den Ostkirchen knüpfte: „Ich fühlte mich freier, solche Ziele in Wien zu verfolgen, wo ich die alleinige Verantwortung trug und weder von der vatikanischen Bürokratie behindert werden konnte noch eine Belastung für Rom war.“

Papst Johannes XXIII. hatte Kardinal König in einer Privataudienz erzählt, dass ihm die Idee zum Konzil während der Weltgebetsoktav für die Einheit der Christen gekommen war. Das Konzil zeigte dann erstmalig den universalen (katholischen!) und globalen Charakter der Kirche mit einem multikulturellen Bild.

Dietmar W. Winkler zeichnet in seinem Buch „Wann kommt die Einheit? Ökumene als Programm und Herausforderung“ die Geschichte der Ökumene nach, ausgehend von den Jugendbewegungen im 19. Jahrhundert, insbesondere des 1895 gegründeten „Christlichen Studentenweltbundes“ bis zum 1948 gegründeten Ökumenischen Rat der Kirchen, der ohne die Katholische Kirche auskommen musste. Papst Johannes XXIII. verfügte 1960 auf Betreiben Kardinal Beas die Einrichtung eines Sekretariats für die Einheit der Christen, dem heutigen Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen. Viele Konzilsdokumente sind denn auch vom ökumenischen Gedanken geprägt.

Kardinal König hatte Karl Rahner als seinen theologischen Berater zum Konzil mitgenommen, obwohl der Jesuit von manchen als Gefahr für die Kirche abgestempelt war. Als Nachfolger von Papst Johannes XXIII. wurde Paul VI. gewählt, obwohl der im Konzil eher zurückhaltend agiert hatte, es aber an seinen wenigen Wortmeldungen allen klar war, dass er zu den Reformern gehörte. Ohne diese Nachfolge und Perspektive wäre das Konzil wohl gescheitert.

Als sich während des Konzils hitzige Debatten um die sogenannte „Judenerklärung“ entwickelten, war es Kardinal König, der klarstellte, dass die Erklärung über das Verhältnis der Kirche zum Judentum auf Widerstand stoße und diese nur gerettet werden könne, wenn sie in einen größeren Kontext aller nicht-christlichen Religionen gestellt werde. So kam es zu „Nostra aetate“.

Notwendiger Hintergrund für den ökumenischen Gedanken war die Aufgabe der Sicht einer statischen Kirche und perfekten Gesellschaft. Die Kirche wurde am Konzil zur Bewegung, zum pilgernden Volk Gottes, zum Zeichen der Einheit – nicht nur der Konfessionen, sondern der gesamten Menschheit. An der Wiederentdeckung der Synodalität und Kollegialität der Kirche – gegen einen Papstzentrismus – waren ebenfalls Kardinal König und sein Berater Karl Rahner maßgeblich beteiligt.
Den Kontakten Kardinal Königs ist es auch zu verdanken, dass z.B. klar wurde, dass die mit Rom vereinten orientalischen Christen Teil der katholischen, aber nicht der lateinischen Kirche sind. Damit wurde deutlich, dass die Einheit der Kirche nicht in einer Uniformität bestehen kann und dass die Verschiedenheit der Traditionen zur besseren Verwirklichung der Katholizität (= Universalität) beitragen kann.

Natürlich gab und gibt es Rückschläge und Stagnationen, sowohl im Hinblick auf das Konzil wie auch die Ökumene. Es wäre heute sinnvoll, sich wieder auf die Worte Kardinal Königs zu besinnen: „Heute ist es entscheidend, das gemeinsame Erbe der Vergangenheit höher zu schätzen als das Trennende…“

Dietmar W. Winkler: „Wann kommt die Einheit? Ökumene als Programm und Herausforderung“, Kardinal König Bibliothek, Band 4. Hrsg. v. Helmut Krätzl, Annemarie Fenzl, Walter Kirchschläger. Verlag Styria premium 2014. ISBN 978-3-222-13386-2. EUR 16,99