Band 2 der Kardinal König Bibliothek ist dem Kardinal selbst gewidmet, dem Verhältnis von Christentum und anderen Religionen, dem Lebensthema Kardinal Königs. Wenn man die klägliche Rolle betrachtet, die viele Christen zu diesem Thema immer noch einnehmen, dann kann man nur zu dem Schluss kommen, dass dieses Buch jeder lesen sollte, bevor er sich dazu äußert, was in diesem Bereich „christlich“ bedeutet.
Wenn es in der katholischen Kirche einen Mann gibt, der Dialogbereitschaft und Dialogfähigkeit sowie fachkundigen Blick über den Tellerrand verkörpert, dann ist es Kardinal Franz König. Da er immer eine wichtige Rolle gespielt, sich aber nie in den Vordergrund gedrängt hat, ist seine Persönlichkeit in ihrer gesamten Tragweite ziemlich unbekannt. Er selbst hat sich Zeit seines Lebens wohl nie als Wissenden, sondern als Suchenden und Fragenden gesehen. So hat er auch – schon vor dem Konzil – den Menschen als „animal religiosum“ gesehen, egal welcher Religion er angehört. Dieser einfache „Trick“, nicht religiöse Ideologien zu vergleichen, sondern Religionen als Versuche einer Antwort auf die wesentlichen Fragen des Menschen zu sehen, war seine Methode, zu einer Offenheit und Anerkennung anderer Denkweisen zu kommen.
Das Verwurzeltsein in der eigenen Religion und das Interesse und die Kenntnis anderer Religionen, das Gespräch über Grenzen hinweg waren für König kein Gegensatz, sondern die christliche Haltung anderen Religionen gegenüber. Fremdsprachen und Weltreligionen waren seine Lebensthemen. Sein Studium vergleichender Religionswissenschaften bezeichnete er als zweiten Weg zu Christus. Die Frage nach der Einheit in der Verschiedenheit war immer gegenwärtig. In seinem Studium der Philosophie und Theologie spezialisierte er sich auf altpersische Sprachen und Religionen. Das Studium anderer Religionen wurde für König zum geistigen Leitweg, um dadurch die eigene Religion besser zu verstehen.
1946 habilitierte sich Franz König mit der Arbeit „Der Jenseitsglaube im Alten Testament und seine Parallelen in der Religion des Zarathustra“ und wurde 1948 als Professor für Moraltheologie an die Universität Salzburg berufen. Die vier Jahre in Salzburg verbrachte er vor allem mit der Herausgabe des dreibändigen Werks „Christus und die Religionen der Erde“, das 1951 erschien, und insofern eine Besonderheit darstellte, als sich hier ein katholischer Theologe unbefangen mit fremden Religionen beschäftigte, und das noch dazu mit profunder Sachkenntnis!
Diese Offenheit gegenüber anderen Religionen ist durchaus kein Modernismus, sondern im Evangelium begründet: „Christus selber anerkennt die religiöse Bereitschaft des heidnischen Hauptmannes (Mt 8,10), er verurteilt keineswegs die kananäische Frau (Mt 15,27).“ Die Auffassung von der Unvergleichlichkeit des Christentums sieht König auch durch die Areopag-Rede des Paulus (Apg 17,16-54) widerlegt. Den großen Religionen gemeinsam ist, sie „gehen vom fragenden Menschen aus, suchen mit erleuchteter Weisheit die Lösung letzter Lebensfragen und lehren Wege menschlichen Handelns“. Für König sind nicht behauptete Offenbarungsansprüche Ausgangspunkt der Theologie, sondern die Fragen der Menschen – und zwar aller Menschen, auf die die Religionen Antwort geben müssen.
Als König 1952 ein Ruf an die Universität Münster erreichte und er gleichzeitig zum Weihbischof von St. Pölten ernannt wurde, entschied er sich schweren Herzens für das Bischofsamt. 1956 wurde er Erzbischof von Wien. 1959 eröffnete er das Afro-Asiatische Institut in Wien, in dem er vielen eine offene Begegnung mit Vertretern anderer Kulturen auf akademischer Ebene ermöglichte. 1961 besuchte er im Auftrag von Papst Johannes XXIII. Patriarch Athenagoras in Konstantinopel.
Das Buch erzählt auch die turbulente Geschichte von „Nostra aetate“ von der Judenerklärung bis zur Erklärung über die nichtchristlichen Religionen – der kürzeste Text des Konzils mit der kompliziertesten Geschichte und dem weitesten Horizont. Es versteht sich beinahe von selbst, dass Kardinal König in dieser turbulenten Geschichte eine ganz bedeutende Rolle spielte – mit seiner Sachkenntnis und seinem diplomatischen Geschick. Dazu kamen Aktivitäten außerhalb Roms, etwa die vielbeachtete Rede in Bombay (Mumbay), mit der er erstmals zum Dialog der Religionen aufrief. König vertrat die Meinung, „dass wir in der religiösen Welt des anderen die gemeinsamen menschlichen Probleme erkennen und wieder finden, mit denen alle Menschen zu ringen haben“. Hier klingt bereits die spätere Formulierung von Nostra aetate durch.
1995 war Kardinal König eingeladen, an der Al Azhar Universität in Kairo eine Rede zum Thema „Monotheismus in der Welt von heute“ zu halten. Ein nahezu unglaubliches Ereignis: Ein katholischer Kardinal hält auf Einladung des Rektors einer der berühmtesten islamischen Universitäten der Welt einen Vortrag vor zahlreichen islamischen Gelehrten! König intendierte in seiner Rede eine Allianz zwischen Islam und Christentum, beruhend auf gegenseitiger Anerkennung und Besinnung auf das Potenzial des monotheistischen Glaubens. „Für uns ist es klar, dass – wenngleich wir die andere Religion nicht annehmen können – die Gnade Gottes auch im Bereich der nichtchristlichen Religionen wirksam werden kann.“
Mit König begann der interreligiöse Dialog, der aber ein umfassendes Wissen voraussetzt, wenn er nicht auf Vorurteilen aufbauen soll. Ein solch offener Dialog führt aber nach König dazu, sich selbst und die eigene scheinbar vertraute religiöse Überzeugung besser kennenzulernen. König praktizierte das auf seinen Reisen nach Teheran, Alexandria, Istanbul, China, in die Sowjetunion und nach Israel und Ägypten. In Österreich kam es zur Gründung der Kontaktstelle für Weltreligionen, einer Einrichtung der Bischofskonferenz, die ohne das Wirken Königs nicht denkbar gewesen wäre. Und beim „Lichtermeer“ gegen Ausländerfeindlichkeit am 23. Jänner 1993 wandte sich der Kardinal in seiner Rede auf dem Stephansplatz gegen das „Aufreißen von Gräben“ und das Bauen von Brücken mit Blick in die Zukunft. Im Gebetstreffen von Assisi sah König die konkrete Verwirklichung der Intention von Nostra aetate und ein wichtiges Signal für den Weltfrieden.
Kardinal König war Mitglied der römischen Kongregation für die Weltmission, und noch während des Konzils wurde König von Papst Paul VI. mit der Leitung des neu errichteten „Sekretariats für die Nichtglaubenden“ beauftragt. Von dieser Ernennung überrascht, wurde durch seine Arbeit deutlich, dass Nichtglaubende für religiöse Menschen eine kritische und erhellende Funktion ausüben können.
Die Frage, die König seit seiner Jugend beschäftigte, fasste er zusammen: „Auf dem großartigen, eindrucksvollen Hintergrund der Religionen der Erde geht es im Glauben an die Frohe Botschaft um einen universalen Heilsplan Gottes für die ganze Menschheit im globalen Sinne. Dieser Plan schließt alles menschliche Suchen, alles menschliche Fragen ein und umfasst alle Religionen der Erde, wie sie die Menschen von Anfang an begleitet haben, um sie aus der Ebene des Menschlichen hinaufzuheben auf die Ebene des einen Gottes, den uns Jesus als unseren Vater anzusprechen lehrte.“ Wenn „katholisch“ so viel wie „universal, allumfassend“ bedeutet, dann ist das die einzig mögliche katholische Haltung.
Und wenn für viele heute das Wort „Dialog“ schon wieder ein rotes Tuch geworden ist, dann sei ebenfalls an die Worte Kardinal Königs erinnert: „Dialog heißt nicht, zu beweisen, welche Religion Recht hat. Dialog heißt, andere als Menschen zu respektieren – sogar, wenn am Ende die Dialogpartner zum Schluss kommen, dass sie anderer Meinung sind und bleiben.“
Franz Gmainer-Pranzl
Christus und die Religionen der Erde
In welchem Bekenntnis begegnet Gott?
Band 2 der Kardinal König Bibliothek
Verlag Styria premium 2013
ISBN 978-3-222-13401-2
EUR 16,99