Wir haben die Demokratie, weil wir keine Kaiser und Tyrannen wollen. Also haben wir Erwin Pröll. Wir wollen uns buchstäblich nichts vorschreiben lassen, also haben wir unsere Medien und deren Pressefreiheit.
Wir haben die Monarchie abgeschafft, weil die Monarchen erfahrungsgemäß dazu neigen, sich zu Tyrannen entwickeln. Wenn es keine Monarchen mehr gibt, können sie keine Dummheiten machen. Eine einfache und logische Rechnung.
Den Titel zu vererben, um den Kampf um die Macht zu unterbinden, war auch keine gute Lösung, weil Inzucht eher nicht qualitätsfördernd wirkt. So bleiben uns noch die Museumsmonarchen, aber die sind harmlos, die kosten nur unendlich viel Geld. Aber Geld wird ja auch für Schlimmeres ausgegeben. Siehe Rüstungsindustrie, die wir brauchen, um die Demokratien zu schützen. Die wurde in den USA längst säkularisiert, damit dort sogar Kleinkinder ihre Geschwister oder Eltern abknallen können. Freiheit geht den Amerikanern über alles.
Uns geht die Pressefreiheit über alles. Und auch da geht es vorerst um Macht – und leider auch schon mal um Tote. Die Medien sind die vierte Macht im Staat, sie sind aber eigentlich die erste Macht. Jeder Tyrann weiß, dass er zuerst die Medien ausschalten oder verstaatlichen muss – was auf dasselbe herauskommt – wenn er sein geliebtes Amt ausüben will. Heute werden sie zunehmend nervös, weil sich das Internet nicht so leicht ausschalten lässt.
Aber auch die Medienmacht wird missbraucht. Man nennt das Pressefreiheit. Der Boulevard, die Yellowpresse tragen mehr zur Volksverdummung bei als das Bildungssystem je aufbauen kann. Die Krone hat in jahrzehntelanger Gehirnwäsche den politischen Geisteszustand geschaffen, den wir heute in Österreich haben. Jetzt sogar mit Unterstützung diverser Gratisblätter. Pressefreiheit ist heute nicht das Recht der Meinungsäußerung – wer hat denn schon eine Meinung? – sondern das Recht, Dummheiten zu verbreiten. Die Monarchen haben wir abgeschafft, die Medien haben Pressefreiheit. Und gegen die sind wir alle machtlos.
Dabei sollten die Medien auch das Recht haben, Vernünftiges zu verbreiten. Ok, das haben sie, wenn auch nicht verbrieft. Das mag ein juristisches Problem sein, aber von diesem Recht machen ohnehin die wenigsten Gebrauch. Bringt keine Kohle, und von etwas müssen auch Verleger und Journalisten leben. Wenn auch die Journalisten von immer weniger.
Es ist ein tragischer Anlass, und ich verurteile das Massaker in Paris auf das schärfste. Und wenn Pressefreiheit das Recht auf die Verbreitung von Dummheiten ist – und dieses Recht ist in einer Demokratie selbstverständlich zu schützen – dann war es tatsächlich ein Angriff auf die Pressefreiheit. In Europa hat eben jeder das Recht, dumme Karikaturen über Jesus oder Mohammed oder wen auch immer zu verbreiten, um damit Kohle zu machen. Ob das so wichtig ist, bleibt dahingestellt.
Und das zeichnet den Demokraten aus, dass er in diesem Fall ganz entspannt sagt: Leckt‘s mich am Arsch! Dass Fundamentalisten das anders sehen, ist aber irgendwie vorhersehbar. Wenn ich mit einer Israelflagge auf eine Naziversammlung gehe oder auf eine Demonstration der PEGIDA, dann ist die Reaktion ebenfalls vorhersehbar. Auch diese Freiheit kann mir natürlich niemand nehmen – aber ich muss es nicht tun. Und besonders wichtig ist es auch nicht.
Karikaturen sind großartig, und es gibt hinreißende Karikaturisten. Aber wie das Leben so spielt, ist auch hier mit dummen Karikaturen mehr Kohle zu machen als mit vernünftigen. Anscheinend sogar mehr als mit dummen Artikeln.
Warum wir unter Pressefreiheit immer das Recht auf Dummheit verteidigen, die Medien aber von ihrem Recht auf Vernünftiges kaum Gebrauch machen, das soll erst jemand verstehen.
Jetzt wird man wieder diskutieren. Was dabei besonders tragisch ist: Ich habe die Wochen nach 9/11 als die Sternstunde des Journalismus erlebt. Das war ein Thema von einer Dimension, die für Wochen reichte. Aber da man nicht wochenlang immer wieder die „Tatsachen“ beschreiben kann, waren die Medien gezwungen, das zu tun, was sie eigentlich immer tun sollten: Sie lieferten Kommentare, Diskussionen, Hintergrundinformationen, Historisches usw. Nur, nach ein paar Wochen fiel auch das wieder in sich zusammen.
Jetzt wird man wieder diskutieren. Es wird nicht so lange Zeit brauchen wie bei 9/11, und dann wird es wieder still werden.
„Ich habe die Wochen nach 9/11 als die Sternstunde des Journalismus erlebt.“ – Wie das?
Insofern als das Ereignis von einer solchen Wucht war, dass es nicht in einem Tag oder einer Woche aus den Medien verschwinden konnte. Und da man nicht wochenlang nur das Ereignis beschreiben kann, gab es Kommentare, Hintergundberichte, Meinungen usw. – also alles was uns normalerweise vorenthalten wird. Nach ein paar Wochen war allerdings auch das Geschichte.
Mein Eindruck bei 9/11 und bei allen anderen Großveranstaltungen: Über das Ereignis selber wird zu schnell, zu oberflächlich, zu voreingenommen berichtet. Es gibt dann nur noch Kommentare, Meinungen, sog. Hintergrundberichte, die im Ganzen recht einseitig und „auf Linie“ bleiben. Ich würde mich freuen, wenn man wirklich bei dem Ereignis bliebe und es untersuchte, anstatt nur eigene Meinungen zu veröffentlichen (die der Politik des Blattes, Senders etc. entsprechen) – dazu ist der Journalismus heutzutage mehr und mehr verkommen.
„Zu schnell, zu oberflächlich, zu voreingenommen“ – da stimme ich zu. Mit Meinung meine ich aber nicht die Blattlinie, sondern die Meinung des Journalisten. „Es untersuchen“ geht m.E. gar nicht anders. „Objektivität“ ist eine Illusion, die es nicht einmal mehr in der Physik gibt. Es kann keinen „objektiven“ Journalismus geben, also sollte jeder Journalist zu seiner (eigenen) Meinung stehen und auch eine haben – und nicht vortäuschen, nur über Fakten zu berichten.