Der Gesundheitspolitik neue Kleider – Primary Health Care (PHC)

Das allen bekannte Problem: Patienten drängen in die Spitalsambulanzen, vorbei an den niedergelassenen Ärzten. Eine Lösung muss her – das allerdings seit Jahrzehnten. Gesundheitspolitisch sieht das so aus, dass man die Aufwertung der Hausärzte propagiert – auch seit Jahrzehnten – und jetzt Strukturen dazwischenschaltet, die näher an den Ambulanzen sind und letztlich die Hausärzte weiter abwerten.

Die neuerdings geplanten Primary Health Care-Zentren (PHC) werden derzeit in Inseraten beworben mit den üblichen Versprechungen: kürzere Wartezeiten, längere Öffnungszeiten und Entlastung der überforderten Ambulanzen. Das klingt aus Patientensicht wunderbar: endlich Versorgung rund um die Uhr – auch zu Öffnungszeiten der Hausärzte – und garantierte Hochtechnologiemedizin. Nur schade, dass das eben nicht, wie angekündigt, eine ausgedehnte Gruppenpraxis ist (die man in vernünftiger Form den Hausärzten nach wie vor verweigert), sondern wieder Teil der Spitalshierarchie – und genauso unpersönlich. Keine Möglichkeit der freien Arztwahl, keine wirkliche Arzt-Patient-Beziehung, keine Behandlungsbiographie… Aber eine zusätzliche, teure Konkurrenz für die ohnehin von der Politik ausgehungerten Hausärzte, die seit Jahrzehnten vom Versprechen ihrer Aufwertung leben müssen.

Natürlich liegt der Vorwurf des Futterneids nahe. Doch was soll der gute, alte Hausarzt in unmittelbarer Nähe einer solchen PHC machen? Theoretisch kann er sogar klagen. Die PHCs stehen im gesetzesfreien Raum, Pilotprojekte müssen sich aber auch an Gesetze halten, betont Dr. Wolfgang Geppert, Sprecher des Hausärzteverbands. Es würden außerdem Kassenplanstellen dafür verwendet, die den niedergelassenen Ärzten dann fehlen.

Geppert: „Die Hausärzte werden als Einzelkämpfer verdammt, ihre Versuche auszubrechen aber verhindert!“ Es gibt „unvorstellbar viele Beschränkungen“. Es gibt immer mehr nicht nachzubesetzende Kassenstellen in den Bundesländern, darüber herrscht einmütiges Schweigen. Geppert verweist auch darauf, dass eine halbe Generation Ärzte auswandern wird, „52,9 % der jungen Ärzte wollen nicht in Österreich arbeiten“. Schafft man nicht bald vernünftige Rahmenbedingungen, werde der Schaden über Generationen hinweg nicht gutzumachen sein.

Fassen wir zusammen:
1. Ziel wäre es, die Primärversorgung zu verbessern: „Ein zentrales Ziel ist dabei auch, durch eine Stärkung der Leistungsfähigkeit der Primärversorgung der im internationalem Vergleich zu hohen Krankenhaushäufigkeit und dem ungebremsten Zulauf in die Spitalsambulanzen in Österreich begegnen zu können“. Dem kann man nur mit Freude zustimmen.

2. Statt aber in der Primärversorgung endlich die Hürden wegzuräumen und moderne Strukturen zu ermöglichen, werden die bestehenden weiter behindert und parallel dazu neue Strukturen geschaffen und subventioniert, die laut einem Gutachten des Medizinjuristen Prof. Alfred Radner juridisch eindeutig der Krankenhaushierarchie zuzuordnen sind. Durch Beseitigung von Beschränkungen, Deckelungen, Aufhebung der Chefarztpflicht und sinnvolle Gruppenpraxen würden die Ambulanzen tatsächlich entlastet, und man müsste nicht teure Parallel-Ambulanzen vorschalten.

3. Schon jahrzehntelang ist – in jeder Regierungserklärung festgehalten – von einer Aufwertung der Hausärzte die Rede, um dann aber Gesundheitspolitik an eben diesen vorbei zu praktizieren. Daher ist die Lösung für alle, die das jahrzehntelang miterleben mussten, mit größter Wahrscheinlichkeit nicht von der Politik zu erwarten. Da ist die Hoffnung zuletzt gestorben.

Somit wäre es den Hausärzten wirklich nicht zu verübeln, wenn sie nun – ihrerseits an der Politik vorbei – statt diese immer nur zu kritisieren, sich direkt an die Patienten wendeten, um ihr eigenes Modell zu erläutern. Sie haben lange genug erlebt wie es nicht gehen kann, sie müssten daher notgedrungen auch wissen, wie es gehen könnte oder sollte. Wenn sie dann nach Vorstellung ihres schlüssigen Modells auch noch klarmachen können, dass man sie ja nicht lässt – siehe Restriktionen, Beschränkungen, Deckelungen, Chefarztpflicht, kastrierte Gruppenpraxen usw. – dann wäre es doch gar nicht so unverständlich, wenn zumindest die Bevölkerung Verständnis zeigt…

König – Kaiser – Kardinal. Auf den Spuren von Kardinal Franz König

Er war einer der einflussreichsten Kardinäle der Welt, einer der wesentlichen Mitgestalter und Stratege des 2. Vatikanischen Konzils, und wohl nur deshalb nicht papabile, weil er mit seiner österreichischen Bischofskonferenz hin und wieder auch mit Rom im Clinch lag.

Im Buch erfähFeatured imagert man sehr viel über seine persönliche Entwicklung, über die damaligen politischen Verhältnisse und Verflechtungen, aber 50 Jahre nach dem Konzil ist natürlich die Rolle des Kardinals im Konzil besonders interessant. Er war immer ruhig, diplomatisch, aber seiner Zeit voraus, sprachbegabt und weltoffen. Am Vorabend des Konzils hielt er eine Rundfunkansprache: „Die Kirche kann zu den Menschen des 20. Jahrhunderts nicht reden wie zu den Menschen des 10. Jahrhunderts, zu den Naturvölkern in Afrika nicht so wie zu den Menschen asiatischer Hochkulturen.“

Die Kirche wurde im Konzil erstmals zur Weltkirche, und viele europäische Konzilsteilnehmer staunten darüber, was alles „katholisch“ war. Bedeutsam war auch, dass der Kölner Kardinal Joseph Frings, der ebenfalls eine wichtige Rolle spielte, den jungen Joseph Ratzinger als theologischen Berater mitnahm, und Kardinal König kam mit dem in Rom in Ungnade gefallenen Karl Rahner, der schon im Vorfeld die von der Kurie vorbereiteten Konzilstexte quasi in der Luft zerrissen hatte: „Die Verfasser sind meilenfern von der wirklichen Not der Geister von heute… Nein, diese Schemata sind die Elaborate der gemächlich Selbstsicheren, die ihre Selbstsicherheit mit der Festigkeit des Glaubens verwechseln … die Elaborate von Professoren, die sich weigern, die Glaubensnot der Menschen von heute zu teilen … einfach der Situation von heute nicht gewachsen …“

Die wohl wichtigste Rolle spielte Kardinal König bei der Entstehungsgeschichte von „Nostra aetate“. Als die Erklärung zum Verhältnis der Kirche zum Judentum an der Kurie zu scheitern drohte, rief König ein paar Mitstreiter in der Sakristei zusammen und erklärte ihnen, dass das Dokument nur zu retten sei, wenn man es in einen universellen Zusammenhang stellt, in das Verhältnis der Kirche zu allen nicht-christlichen Religionen. 30 Jahre später würdigte Joseph Ratzinger die Verdienste Königs um ein tieferes Verständnis der Einheit und Verschiedenheit der Religionen: „So bin ich Kardinal König bei den Dialogen zu dieser Frage, in die ich hineingeworfen bin, bleibend dankbar, dass er mir und gewiss vielen anderen die Türe zu einer sachgerechteren Behandlung dieses großen Themas aufgestoßen hat.“

Bekanntlich flammten nach dem Konzil die Kämpfe zwischen der „konservativen“ und der „progressiven“ Richtung, die das Konzil überwinden wollte, wieder auf. Dabei, bedauerte Kardinal König, „legen die einen den Akzent auf Uniformität, Einheitlichkeit im Gegensatz zu legitimer Vielfalt. Die anderen bringen ihre Sorgen zum Ausdruck, dass fundamentalistische Unterströmungen das Bild der Kirche für die Zukunft einengen und verzerren könnten“. Dieses Bild ist leider bis heute aktuell – und gemessen am Konzil als Rückschritt zu werten.

Wenn der Kardinal die Konzilsimpulse aufzählte, dann nannte er an erster Stelle die Kirche als Weltkirche. „Das muss aber auch im Vatikan spürbar werden.“
2. Die Ökumene, „der Versuch, einander näherzukommen, das Gemeinsame wieder zu sehen und sich nicht nur gegenseitig zu erinnern, was man falsch gemacht hat.“
3. Das Thema Laien: „Ja, wir müssen von einer klerikal gesehenen Kirche wegkommen, wir müssen uns bewusst sein, wir alle sind Kirche.“
4. Die Liturgiereform. Da hätte es anfangs viele Irritationen und Missverständnisse gegeben, aber es habe sich alles beruhigt.
5. Das Verhältnis zu den nicht-christlichen Religionen, Nostra aetate, „das kürzeste Dokument des Konzils, aber aus meiner Sicht vielleicht das wichtigste“.

Kirchenpolitik
Im sogenannten „Mariazeller Manifest“ wurde festgehalten, dass die Kirche heute „keinen Kaiser und keine Regierung, keine Partei und keine Klasse“ hat. Trotzdem waren die politischen Verhältnisse noch längere Zeit anders. So verhinderte Julius Raab mit seiner Intervention in Rom Franz Jachym als logischen Nachfolge Kardinal Innitzers. Es wurde Kardinal König, dem man wiederum immer den „roten Kardinal“ nannte, weil er sich mit Bruno Kreisky gut verstand. 1956 kondolierte der Kardinal Adolf Schärf zum Tod seiner Gattin Hilda, was schon mit Skepsis beobachtet wurde. Als Schärf Bundespräsident wurde, erhielt er vom Kardinal ein Glückwunschtelegramm. Später soll Schärf gesagt haben: „Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich aus der Kirche gar nicht auszutreten brauchen.“ Es war das Bemühen, die früheren Verflechtungen zu überwinden, die ihm den „Titel“ eines „roten Kardinals“ einbrachten. Hingegen bescheinigt ihm der Theologe Paul Zulehner: „Er hat immer gesagt, wir positionieren uns unabhängig von den Parteien, und die Parteien sollen dann die Nähe oder Entfernung zur Kirche feststellen.“

Die „Fristenlösung“ bezeichnete der Kardinal immer als „offene Wunde“. Und es steht fest, dass hier einiges schief gelaufen ist. Eine Studienkommission im Auftrag Papst Johannes XXIII. war zu dem Ergebnis gekommen, dass Kontrazeptiva an sich nicht verwerflich sind. Dem hatte sich auch die von Paul VI. gegründete „Päpstliche Kommission für Ehefragen“ angeschlossen. Die Wahl der Empfängnisregelung sei eine Gewissensentscheidung der Eheleute. Dem hatte sich eine Gruppe von vier Kardinälen, darunter Karol Wojtyla, entgegengestellt und ein Gegengutachten erstellt, das alle künstlichen Methoden ablehnte. Darauf hatte Paul VI. seine Enzyklika „Humanae vitae“ veröffentlicht – mit weltweit heftigen Reaktionen.

König hatte den Papst schon vorher gewarnt, dass das viele Probleme verursachen würde, besonders was die simple Unterscheidung zwischen „natürlicher“ und „künstlicher“ Verhütung betrifft. „Als ob es, auch moralisch, auf den ‚Trick‘ ankäme, der Natur gleichsam ein Schnippchen zu schlagen.“

Die österreichische Bischofskonferenz unter Vorsitz Kardinal Königs formulierte darauf die „Maria-Troster-Erklärung“, in der die verantwortete Elternschaft, von der auch das Konzil schon gesprochen hatte, dem Gewissen der Eheleute obliegt. Nur dürfe das Gewissen nicht durch chemische Mittel ersetzt werden. Aber im Einzelfall könne man auch zu einer anderen Gewissensentscheidung kommen.

Das war dann ein Grund für den Bruch zwischen Franz König und Karol Wojtyla. Die eher unglückliche Bestellung von Hans Hermann Groer als Nachfolger Kardinal Königs und Kurt Krenns als Diözesanbischof von St. Pölten war die unmittelbare Folge. Damit sollte der „liberale“ Kurs in Österreich abgedreht werden.

Kurt Krenn wetterte gegen die „Maria-Troster-Erklärung“, was König in einer Predigt ungewohnt heftig erwiderte: „Die Zeit ist zu kostbar, als sie für überflüssige Diskussionen zu vergeuden … Ich habe später sowohl mit Paul VI. als auch mit Johannes Paul II. über unsere Erklärung gesprochen. Beide haben keine Einwände gegen unseren Text erhoben. Dies wäre wohl notwendig gewesen, wenn ein gravierender Irrtum darin enthalten wäre. Damit ist aus meiner Sicht die Diskussion über dieses Thema abgeschlossen.“ Die Diskussion ging allerdings weiter.

Was die sogenannte „Fristenlösung“ betrifft, war Kreisky bekanntlich selbst dagegen, wurde aber innerparteilich überrumpelt. Kreisky hatte sogar einmal gesagt: „Eine Gesellschaft, die auf Abtreibung zurückgreift, muss eine sehr arme und ungebildete Gesellschaft sein.“ Die „Fristenlösung“ kam aber auch deshalb zustande, weil sich die ÖVP gegen die ursprüngliche Indikationenregelung (Straffreiheit für Abtreibungen in bestimmten Ausnahmefällen) querlegte. Helmut Krätzl: „Hätte nämlich die kleine Strafrechtsreform eine Liberalisierung gebracht, wäre vielleicht die spätere, viel weiter gehende Lösung verhindert worden.“

Kardinal König sah sich von fundamental denkenden Menschen gedrängt, mehr zu kämpfen, andererseits war er immer der Meinung, dass die wichtigsten Entscheidungen nicht vor dem Gesetz, sondern vor dem Gewissen fallen. Das Gewissen und nicht das Gesetz waren ihm oberste Instanz.

Konflikte mit Rom
Erster Konfliktpunkt war die „Maria-Troster-Erklärung“, und dann wurde dem Kardinal angekreidet, dass er die Fristenlösung nicht verhindert hätte. Als Papst Johannes Paul II. eine Synode zum Thema „Die christliche Familie“ einberief, kam es zu einem weiteren Konflikt um die Frage Scheidung und Wiederverheiratung. Der Papst bereitete ein Apostolisches Schreiben vor und König befürchtete zu Recht, dass er darin nicht die Ansicht der Synode vertreten werde. So gab der Kardinal eine Erklärung der österreichischen Bischöfe heraus, in der er festhielt, dass es zwar keine generelle Zulassung geben könne, es sei denn, dass im Gespräch mit einem erfahrenen Seelsorger eine Lösung (analog der orthodoxen Kirche) gefunden wird. Dass er diese Erklärung noch vor dem Erscheinen des päpstlichen Schreibens veröffentlichte, musste in Rom „als blanker Affront gegen den Papst“ (Paul Zulehner) aufgefasst werden. Doch der Standpunkt der österreichischen Bischöfe ist nie zurückgenommen worden, auch nicht unter Kardinal Groer, weshalb er bis heute gültiges lokales Kirchenrecht ist. Die Ernennung Groers war dann wohl der Preis für den jahrelangen eigenständigen Kurs der Kirche in Österreich.

Im Buch ist natürlich noch viel mehr angesprochen, so dass es sich lohnt, sich damit zu beschäftigen.

Thomas J. Nagy
König – Kaiser – Kardinal
Auf den Spuren von Kardinal Franz König
Verlag Styria premium, 2015, 336 Seiten, Hardcover mit SU
ISBN: 978-3-222-13489-0
EUR 24,99

Ostern

Ich bin zugegen, als der Herr sagt:
„Dies ist mein Leib … Dies ist mein Blut…“
Ist er doch ganz Mensch und ganz Gott!
Er sieht mich an und fragt:
„Bist du dir deiner Menschlichkeit bewusst? Weißt du um deine Göttlichkeit?
Folge mir nach – in beiden Aspekten!“

In dieser abgrundtiefen Zerrissenheit…
Von dieser Welt, in dieser Welt, ans Kreuz geschlagen,
blutend – und doch triumphierend.
Nicht von dieser Welt, immer schon weit mehr als Mensch,
ek-statische Existenz, herausragend, in Ewigkeit hinein.
Dreh- und Angelpunkt, das Kreuz, wo das Irdische sich ins Ewige wandelt.
Doch erst am dritten Tag!

Die Taufe ist zunächst untertauchen, nackt und bloß
ins Angesicht der Unterwelt, der Toten,
ohne die es keine Auferstehung gibt.
Erlöst werden müssen die Leichen,
auferweckt, verlebendigt einzig durch Liebe.

So bringe ich das Unterste dem Obersten näher
durchlichte meine Hölle, steige mit ihr empor
und rette mit – meine ganze Welt.