Von Teilhard de Chardin stammt die Beschreibung der Evolution als Zusammenschluss von kleineren zu immer größeren und komplexeren Einheiten. (Man kann von Teilhard de Chardin mehr über die Prinzipien der Evolution erfahren als von Darwin). Atome schließen sich zusammen zu Molekülen, zu Zellen, zu Organismen, bis hin zum hochkomplexen menschlichen Gehirn.
Ein ähnliches Bild taucht in der Chaostheorie auf: der Begriff der Selbstähnlichkeit. Ein Karfiol besteht aus kleineren Einheiten, die genauso aussehen wie der große Karfiol, und die kleineren bestehen wieder aus vielen kleineren, die immer eine ähnliche Gestalt haben. Auch das ist ein Prinzip der Evolution: Ein Volk besteht aus Regionen mit eigenen Dialekten, in denen Städte und Dörfer liegen, in denen es Freundeskreise gibt, die aus Familien bestehen. Die Strukturen werden nach „oben“ hin komplexer, nach „unten“ einfacher.
Trotz aller historischen Betrachtungen ist es in der Gesellschaft kaum bewusst, dass sich auch die Menschheit als solche entwickelt. Evolution wird im Zusammenhang der Entwicklung des Lebens und der Spezies gesehen und nicht auch auf die Menschheit im Besonderen bezogen.
Die soziale Evolution der Menschheit führt von Großfamilien über Clans zu Stadtstaaten, Reichen, Großreichen und Staatenbünden. Immer schließen sich kleinere Einheiten zu immer größeren zusammen. Damit liegt die Europäische Union im natürlichen Prinzip der Evolution. Ein Verhindern wäre Rückschritt. Über das Wie kann und muss man diskutieren. Dass sie eine soziale und humane Union werden muss, ist keine Frage.
Und der Einzelne trägt in sich die Struktur des Ganzen. So wie die Menschheit, Völker, Kulturen, Religionen usw. Positives und Negatives enthalten, so auch jeder Einzelne. So wird es z.B. auch leicht, das Fremde in sich zu verdrängen und außerhalb zu bekämpfen. Was im Einzelnen, psychologisch gesehen, der Schatten ist, das ist in der Gesellschaft ein ausbeuterisches Wirtschaftssystem, Kriminalität, Mafia, Turbokapitalismus oder politisch das Parteienspektrum rechts der Mitte.
So wie es Entwicklungsstadien des Individuums gibt, so auch der Menschheit. Sieht man sich den Zustand der Welt an: Konkurrenz- und Machtkämpfe, Übervorteilung, Ichbezogenheit, „Marktgesetze“, bis hin zu Krieg und Terror, kann man nicht umhin, das als die Pubertät der Menschheit zu bezeichnen. Bürgerinitiativen, Zivilcourage, private Hilfe für Flüchtlinge, wie derzeit zu beobachten, kann man als erste Anzeichen des Erwachsenwerdens sehen.
Andererseits kann man vom Organismus auf z.B. einen sozialen Organismus schließen. Wenn Zellen im Organismus nur mehr für sich wachsen und sich vermehren, sozusagen egoistisch, ohne Rücksicht auf den Gesamtorganismus, dann nennt man diese pathologische Entwicklung Krebs. Genau das beschreibt auch rechtsextreme Tendenzen in der Bevölkerung: nur auf das Eigene bedacht, ab- und ausgrenzend, sich dem Gesamten, der Menschheit verschließend, egoistisch und fremdenfeindlich. Rechte Tendenzen sind das Krebsgeschwür der Gesellschaft.
Entstehen kann so etwas, wenn das körper-(gesellschafts-)eigene Immunsystem nicht mehr richtig funktioniert, wenn Abartiges nicht mehr als abartig erkannt und rechtzeitig unterbunden wird. Geschwächt wird das Immunsystem durch die Jahrzehntelange Gehirnwäsche durch kleinformatige Zeitungen und „freiheitliche“ Parteien. Durch den Gewöhnungseffekt wird das Pathologische nicht mehr als krankhaft erkennt. Der Schatten wird nicht mehr integriert, sondern ausgelebt. Das Negative, Krankhafte wird zum Normalen und das Normale zum „Gutmenschentum“ erklärt. Es gibt nur mehr Selbstherrlichkeit und Fremdes, das zu bekämpfen ist.
Durch Egoismus, Ab- und Ausgrenzung und eine groteske kleinkarierte Schrebergartenmentalität will dieses faschistoide Krebsgeschwür sich gegen den Gesamtorganismus abschotten, nicht wahrhaben wollend, dass es auf diese Weise den Organismus (die Menschheit), und damit letztlich auch sich selbst zerstört.