Gedanken zu den „Wortkörpern“ von Johann Berger

32202744_2403905552960308_6426007451253866496_nAm 24. Mai 2018 wurde im traditionsreichen Palais Strozzi in Wien, organisiert vom „Complexity Science Hub Vienna“, einem Institut, das sich der Komplexitäts-forschung widmet, die Ausstellung „Wortkörper“ von Johann Berger eröffnet – ebenso gelungen wie spannungsgeladen. Innovative Wissenschaft in einem traditionsreichen Gebäude präsentiert ebenso innovative Kunst, die auf antike Begriffe rekurriert.

DSCN4650_webBerger unternimmt etwas, das es bislang nicht gegeben hat. Er nimmt Begriffe aus dem Griechischen und Hebräischen, nimmt den Buchstaben das Nacheinander, setzt sie hintereinander und entwickelt daraus eine buchstäblich begreifbare Form. Im Innenhof des Gartenpalais steht außerdem noch etwas erstmals Realisiertes, ein Objekt, das als 3D-Druck aus Beton entstanden ist, aus der Entwicklungsabteilung des Bauunternehmens Baummit.

Kunst wird dann bedeutsam, wenn sie beim Betrachter das Innere anrührt und/oder zum Denken anregt. Dazu fordert die doppelte Spannung zwischen Tradition und Innovation geradezu heraus.  Man kann sagen, dass bereits Aristoteles die komplexe Natur zu erschließen versuchte. Der kulturelle rote Faden reicht bis zur Naturwissenschaft, die aber lange Zeit eine Theorie einfachster Systeme war. Erst in heutiger Zeit versucht man, der Komplexität der Natur gerecht zu werden.

Johann Berger nimmt antike Begriffe in griechischer und hebräischer Schrift, und setzt die Worte dreidimensional in den Raum, so dass sie buchstäblich begreifbar werden. Damit passiert etwas, das es bisher noch nicht gegeben hat, das aber auch der heutigen Verwendung von Worten einen Spiegel vorhält. Wir wollen „begreifen“, wir definieren, d.h. wir grenzen den Begriff ein. Dass dadurch nicht nur etwas klarer wird, sondern auch etwas verloren geht, kommt uns nicht mehr in den Sinn.

 

In der Antike waren die Sprachen bildhafter und weniger begrifflich als heute. Auch eine klare Bedeutung war mehrdeutig. So war das hebräische Wort für „Vater“ auch das Wort für „Ursprung“. Letzteres geht verloren, wenn Fundamentalisten es nur mehr anthropomorph als „Vater“ verwenden. Zudem erleben Worte einen Bedeutungswandel. Sprache ist lebendig und wandelt sich ständig. Wer heute an einen „persönlichen“ Gott glaubt, der glaubt so ziemlich das Gegenteil dessen, was damals darunter verstanden wurde. Persona war die Maske im griechischen Theater, die „Person“ (im heutigen Sinne) dahinter, der Schauspieler, blieb unsichtbar und verlieh der Maske das Leben, den Charakter. Als der Begriff der Trinität kreiert wurde, dachte man wohl mehr an drei Masken als an drei „Personen“.

Diese Mehrdimensionalität der (mehr bildhaften) Wortbedeutungen ist verloren gegangen. Selbst die hebräischen Buchstaben sind keine Zeichen, sondern Bilder, Symbole, die auch in Zahlen ausgedrückt werden können, wodurch ihre Bedeutung klarer und gleichzeitig vieldeutiger wird. Dies alles schwingt in Bergers „Wortkörpern“ mit, durch die paradoxe Situation, dass gerade durch das „festgestellte“ statische Objekt die ganze Kulturgeschichte mitschwingt. Dadurch wird ein Finger auf den wunden Punkt unserer Kultur gelegt, nämlich dass unsere Begriffe die Dimension der Zeit, ihren dynamischen, mehrdimensionalen und vieldeutigen Charakter verloren haben.

Das ist jedoch nicht nur der Sprache geschuldet, sondern dem vorherrschenden Weltbild, das ein zutiefst statisches ist, dem die Zeit, jegliche Dynamik, jegliche Entwicklung fremd ist. Das europäische Denken zerlegt die Welt in kleinste Teilchen, das Ergebnis sind ganz scharfe Standbilder, mit denen der dynamische Film der Wirklichkeit aber verloren ist. Der zweite Strang der europäischen Kultur, der schon bei Heraklit („Man steigt nicht zweimal in denselben Fluss“, „panta rhei“ = alles fließt) anklingt, spielt eine zunehmend unbewusste, verdrängte, inferiore Rolle. Nicht zufällig ist die Frage der Zeit für die heutige Leitwissenschaft Physik ein unlösbares Problem. Selbst das Zusammenfügen der Standbilder zu einem großen Ganzen ergibt immer noch keinen Film.

Es ist das Verdienst Johann Bergers, dass er durch seine „festgestellten“, materialisierten Formen auf die lebendige Tradition verweist, auf das Fließen, auch der Übergänge zwischen den Buchstaben. Der Betrachter wird angeregt, nicht nur den Prozess der Entstehung des Objekts, wie auch der ursprünglichen Worte mitzudenken, wodurch Verlorenes wieder lebendig werden kann.

 

Das Buch der Bilder

Cover_Jung_Buch der BilderAm 24. April 1948 wurde das C.G. Jung-Institut Zürich gegründet. 2018 besteht es somit seit 70 Jahren.  Um das zu feiern, braucht es etwas Besonderes: Patientenbilder aus dem Institut, die bisher einem größeren Publikum nicht zugänglich waren, in Buchform. Gleichzeitig sind die Bilder im Museum im Lagerhaus, St. Gallen (noch bis 8. Juli 2018) zu sehen. Das Buch ist also gleichzeitig ein Ausstellungskatalog.

Jolande Jacobi begann Ende der 1950er Jahre, ca. 4500 Bilder von Jungs Patienten zu archivieren, dazu ca. 6000 Bilder ihrer eigenen Patienten. Die Bilder bestechen nicht nur durch ihre archetypische Aussagekraft, sondern auch durch ihre künstlerische Gestaltung.

C. G. Jung hatte selbst seine Träume, Imaginationen und Visionen gemalt, z.B. in seinem berühmten Roten Buch, eine intensive Auseinandersetzung mit dem kollektiven Unbewussten. Er entwickelte dazu die Aktive Imagination und hielt auch seine Patienten an, damit zu experimentieren und die Bilder zu malen. Dies ist einerseits ein besonderer Zugang zu sich selbst, andererseits bezeichnete Jung Menschen ohne Zugang zum eigenen Mythos als „Entwurzelte“. Dieser Zugang beruht darauf, so Jung, „dass man das Bewusstsein veranlasst, mit dem Unbewussten zusammenzuarbeiten, wodurch dieses dem Bewusstsein integriert wird.“ Dahinter steht die Ansicht, dass die Innenwelt real ist, und in diesen Bildern sichtbar wird.

Eine zentrale Rolle spielt die Symbolik der seelischen Ganzheit im Mandala, der ein Kapitel von Verena Kast gewidmet ist. Immer wiederkehrende Symbole sind Sonne, Licht, Wasser, Schlange, Lebensbaum, das Weltenei und natürlich der Mensch. Da es sich bei den Bildern meist um Serien handelt, ist eine Entwicklung abzulesen. Da es auch um Kollektives geht, sind sie zu deuten, auch wenn der persönliche Hintergrund meist nicht bekannt ist. Es geht um Wandlung, um Leben und Tod, um den Bezug des Endlichen zum Unendlichen, um die Erfahrung des Verbundenseins mit sich selbst, mit den anderen und mit etwas größerem Umfassenderen.

Jung leitet seine Patienten an, das zuerst passiv Geschaute auch aktiv zu gestalten, und zwar, „um Wirkung zu erzeugen“. Schon die Aktive Imagination ist ein aktives Zulassen. Das so Entstandene zu malen, bringt nicht nur eine weitere Konkretisierung, sondern ist selbst ein dynamischer Vorgang. Die Bilder sind wie Standbilder eines Films, der in der Serie sichtbar wird. Wichtiger noch ist, dass sich im Prozess des Malens das geschaute Bild weiter verändert.

Dies erinnert mich an ein zentrales Thema der Quantenphysik, die fast parallel zur Tiefenpsychologie entwickelt, aber kaum je im Zusammenhang gesehen wurde. Jede Messung verändert das Gemessene. Auch Wahrnehmung ist Messung. Im Hinschauen verändere ich, und verändert sich (aus dem Unbewussten) das Geschaute.

Daher ist eine Analyse nie zu Ende, wie der Kunsthistoriker Philip Ursprung am Ende seines Beitrags feststellt. Er legt außerdem dar, dass die Aktive Imagination nur dann funktioniert, wenn die Transformation eines inneren Bildes zugelassen wird, bevor sie in Worte gefasst wird. Wie auch beim Deutungsprozess darf die Bedeutung nicht vorschnell fixiert werden.

Wieder erstaunt die Parallele zur Quantenphysik. Durch die Messung werden die Eigenschaften eines Quantenphänomens „nicht festgestellt, sondern hergestellt“ (Herbert Pietschmann). Vor der Messung hat das Phänomen keine Eigenschaften, auch nicht das der Existenz. Es ist sozusagen überall und nirgends, als Überlagerung (Superposition) aller Möglichkeiten. Erst durch die Messung „kollabiert“ eine Möglichkeit in die Realität. In der Aktiven Imagination wie in der Deutung wird den Möglichkeiten (der Mehrdeutigkeit von archetypischen Symbolen) Raum gegeben, bis sich eine herauskristallisiert und verbalisiert, festgestellt werden kann. Physikalisch befinden wir uns vor der Messung in der Dimension der raum- und zeitlosen Wirklichkeit. Die psychologische Parallele dazu ist das kollektive Unbewusste, selbst nie zugänglich, aber in den archetypischen Bildern jeweils konkretisiert, ohne das Ganze (in der physikalischen Parallele die Superposition aller Möglichkeiten) je ausschöpfen zu können.

In der Aktiven Imagination und im Malen geht es darum, Wirkung (aus dem Unbewussten) zuzulassen. Der Patient malt sich immer selbst, lässt sich gestalten und gestaltet sich selbst. Die „abgeschlossene“ Therapie entlässt den Patienten als nun Erwachsenen, der nun ein Werkzeug hat, mit dem er an sich weiterarbeiten kann. Die Jung’sche Analytische Psychologie ist damit nicht nur für psychisch Kranke, sondern auch für „Gesunde“ zuständig.

Das vorliegende Buch gibt damit nicht nur einen Überblick über die Arbeit C.G. Jungs und seiner Schule (die er nie gründen wollte), sondern regt auch an, sich mit sich selbst und eigenen Assoziationen, Bildern und Gedanken zu beschäftigen.

 

Ruth Amman, Verena Kast, Ingrid Riedel (Hg.)

Das Buch der Bilder

Schätze aus dem Archiv des C.G. Jung-Instituts Zürich

Patmos Verlag 2018, 250 Seiten, Hardcover, ca. 250 Abb.

ISBN: 978-3-8436-1017-9

EUR 30,00  – Subskriptionspreis bis 12.6.2018, danach ca. EUR 36,00

Manfred Kochs Welt-Bilder

Koch_printempsDie Kunst Manfred Kochs besteht vor allem darin, Bewegung in einem statischen Medium einzufangen. Dazu braucht es Technik, Geduld und ein offenes Welt- und Menschenbild.

Unser gewohntes Weltbild ist ein durch und durch statisches. Wir sehen Objekte und Dinge, die auch wenn sie sich bewegen, ohne Veränderung in sich sind. Heraklits „panta rhei“ war dagegen offensichtlich machtlos. Wir sehen das Fließen der Dinge nicht. Wir sehen ein Gebäude als „Objekt“, vernachlässigen seine Geschichte, die vom Bau bis zum Verfall reicht. Die Bewegung ist zu langsam, als dass sie uns auffallen würde. Und doch ist sogar ein Berg in fließender Bewegung, wurde einmal vor langer Zeit aufgefaltet und schrumpft dann Millimeter für Millimeter.

Wir denken sozusagen in Standbildern (Dingen, Objekten) und übersehen den Film (die Geschichte), der die Wirklichkeit ausmacht. Unsere Bilder der Wirklichkeit haben noch nicht laufen gelernt. Dazu kommt, dass wir uns an ein (pseudo)naturwissenschaftliches Weltbild klammern, und (die klassische) Naturwissenschaft darin besteht, die Welt in kleinste Teilchen (Standbilder) zu zerlegen. Erst nach 1900 kam diese Teilchenwelt ins Wanken, zumindest in der Physik. Teilchenbild und Wellenbild gehören komplementär zusammen. Im Gegensatz zur klassischen hat aber die moderne Physik kaum einen Einfluss auf unser Weltbild.

In der Welt Manfred Kochs gibt es Foto und Film, festgehalten mit einem „Objektiv“, das Objekte darstellt oder „bewegte Bilder“. Im Film laufen die Bilder so schnell vor unserem Auge ab, dass sie wie Bewegung erscheinen. In dieser „Bewegung“ verstecken sich die Standbilder. Das Faszinierende an Kochs Fotos ist, dass er im statischen Bild Bewegung sichtbar macht, dass er Ruhe und Bewegung nebeneinander in komplementäre Spannung stellt. Seine Fotos fangen nicht Objekte ein, sondern Momente einer Bewegung, einer Geschichte. Das Festgehaltene ist nicht Objekt, sondern Verdichtung von Zeitlichem. Sinnliches wird damit auch zum Sinnhaften, über sich Hinausweisenden, Fotografie zur Philosophie.

Dazu kommt man nicht, indem man ein Motiv erfasst und auf den Auslöser drückt. Zur Inszenierung gehört ganz wesentlich das Warten, das Warten auf den richtigen Augenblick (Chairos), in dem Vergangenes und Zukünftiges mit eingefangen werden. Ein konkreter Ort und ein konkreter Zeitpunkt, die über sich hinausweisen. Es wird ein ganz bestimmter Augenblick eingefangen, in dem aber die Bewegung erhalten bleibt und im Kontrast zum statischen Teil des Fotos steht. Oft sind es mehrere Räume, die ineinander übergehen, und Bewegungen, die den ruhenden Teil der Komposition aus der Reserve zu locken scheinen.

Wie in jedem Kunstwerk ist das Bild der „Endpunkt“ eines Prozesses der Gestaltung. Dieser ist dann für den Betrachter der „Ausgangspunkt“ eines Prozesses, der vom Raum, den das Bild eröffnet, in den Innenraum, die Innenwelt des Betrachters führt. Das Bild ist die Mitte oder der Schnittpunkt zwischen der inneren Einstellung des Künstlers und der Innenwelt des Betrachters.  Die Fotos weisen dadurch ins Symbolhafte, sind mehrschichtig und mehrdeutig. Oft erzählen Details, die man beim ersten Blick gar nicht sieht, eine eigene Geschichte, die aber dem ganzen Bild eine neue Wende gibt.

Anders und doch nicht anders in der Serie „Übergangenes“, die Abbildungen von verwitterten Pariser Zebrastreifen. Hier erzählt gerade das statische Muster eine bewegte Geschichte.

Manfred Koch geht es nicht (nur) darum, etwas Äußeres festzuhalten, sondern aus sich heraus etwas zu gestalten. Gute Kunst ist immer auch ein Offenlegen des eigenen Inneren. Im Bild oder Foto trifft dieses Offengelegte dann auf die Innenwelt des Betrachters, wo etwas angerührt wird, das nicht vorhersehbar ist. Das Foto stellt eine Beziehung zwischen Künstler und Betrachter her, zwischen zwei Innenwelten, die einander durch das Foto in seiner Vieldeutigkeit begegnen.

Eine andere Spannung ist, dass jedem Foto eine genaue Vorstellung der Komposition zugrunde liegt. Und doch soll ein Ereignis festgehalten werden, das nicht vorhersehbar ist. Es ist ein Warten auf eine Begegnung, in der Geplantes und Zufälliges, nicht Berechenbares verschmelzen. Scheinbar Alltägliches bekommt durch den herausgehobenen Augenblick eine tiefere Bedeutung.

Manfred Kochs Fotos laden dazu ein, die „Dinge“ anders sehen zu lernen, das gewohnte Wahrnehmen und damit das gewohnte Denken zu übersteigen. Das europäische Denken ist ein Denken in einander ausschließenden Gegensätzen. In Kochs Fotos stehen die Gegensätze nebeneinander, schließen einander nicht aus, sondern kommunizieren miteinander, verweisen aufeinander und auf die Einheit des „panta rhei“. Auf die Vielschichtigkeit und Mehrdeutigkeit der Welt, die der modernen Sucht nach Eindeutigkeit, die es in der Natur gar nicht gibt, widersteht. Koch arbeitet mit seiner Kamera an einem neuen Welt-Bild.

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Theologie ohne „Gott“

Es gibt lebende und tote Sprachen und auch lebende und tote Sprachspiele. Wenn man heute Diskussionen vor allem von fundamentalistisch Glaubenden und ebenso fundamentalistischen Atheisten verfolgt, kann man sich des Eindruck nicht erwehren, dass beide Seiten keine Ahnung haben, wovon sie reden. Es geht um ein Wort, das längst totgeredet wurde. (Das Wort) Gott ist tot, wie Nietzsche sagte. Die Diskussion entzündet sich an einem unverstandenen, längst toten Wort.

Wie kann man heute noch über Gott reden, ohne das Wort „Gott“ zu verwenden, das vielen nichts mehr bedeutet. „Das Absolute“, der „Gott“ der Philosophen, ist zu abstrakt und genauso alt, „das Ganze“ wäre eine heutige Vorstellung, hängt aber zu sehr an den Teilen. Wie also noch von Gott reden?

Völlig übersehen wird dabei, dass einer schon längst eine ganz andere Sprache gesprochen hat: Jesus von Nazareth vor 2000 Jahren. Er hat das Wort kaum verwendet, hat meist vom „Vater“ gesprochen, ein Wort, das im Aramäischen auch „Ursprung“ heißt, also eine völlig andere Konnotation hatte, als wir ihm heute mit dem anthropomorphen „Vater“ unterstellen.

Im Alten Testament ist „Elohim“ ein Plural, und „JHVH“ ein nicht auszusprechende „Begriff“. Im brennenden Dornbusch gibt sich Gott zu „erkennen“ als der „Ich bin da“. Alles Beschreibungen und Zuschreibungen, die im heutigen Wort „Gott“ längst verloren gegangen sind.

Nur wir Heutigen tun so, als wäre mit dem Begriff „Gott“ alles klar. Wir haben eine konkrete, anthropomorphe Vorstellung, ein Bild, das wir uns schon laut AT gar nicht machen sollten. Wir pressen Gott in eine menschliche Vorstellung, was im AT mit dem Bild vom Goldenen Kalb bezeichnet wird.

Wie also noch von Gott reden?

Jesus hat von sich meist als „Menschensohn“ gesprochen und zeigt damit, wie Menschsein geht. Das vor allem war seine Mission. Aber auch „Ich und der Vater (auch Ursprung) sind eins.“ Und in Joh. 17 wird beides, auch für den Menschen, verbunden: „Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein…“ Man kann nicht von Gott reden, ohne vom Menschen zu reden, und umgekehrt. Die Frage ist nur, wie?

Wenn aber Jesus sagt, „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“, dann ist das bereits eine andere Sprache, eine die ohne den (abgenudelten) Begriff „Gott“ auskommt. Einerseits spiegelt dieses Wort die Trinität von Weg (Sohn), Wahrheit (Vater) und Leben (Geist), ohne in das heutige Subjekt-Objekt-Denken abzusinken, andererseits umgeht diese Beschreibung ein konkretes statisches Bild und löst das Ganze in eine Dynamik auf. Leider ist dieser Satz noch nicht im Volk angekommen. Fundamentalisten klammern sich an eine „Wahrheit“, in deren Besitz sie sich wähnen, weil sie die Bibel haben und lesen können. Genau deshalb trifft auf sie das „Der Buchstabe tötet…“ zu. Anderen einen unverstandenen Begriff um die Ohren zu hauen, bringt beiden nichts. Vor allem, wenn der Weg und das Leben außen vor bleiben, ohne die aber die Wahrheit nicht zu „haben“ ist.

Spiritualität ist ein Weg, das heißt es gibt eine Orientierung, aber es ist sinnlos, voreilig von einem Ziel (Wahrheit) zu reden. Und Spiritualität ist ein Weg im Leben, dem nichts Menschliches fremd ist. Eine Theologie, die am Leben in all seinen Facetten vorbei geht, ist keine Theologie. Jesus hat sich nicht mit den Pharisäern (die die „Wahrheit“ verwaltet haben) zu Tisch gesetzt, sondern mit den Zöllnern (die „Sünder“, aber lebendig waren).

Eine lebendige Spiritualität braucht nicht unbedingt einen Begriff (Gott), sie braucht vielmehr einen Weg (inklusive der Demut, noch kein Ziel erreicht zu haben) im Leben (mit allen Facetten, Tiefen und Abgründen). Dieser lebendige Weg führt in die Tiefen der Seele, weshalb eine Religion ohne Psychologie zahnlos ist, und jedes Reden von Gott leeres Gerede.

Erst in dieser inneren Tiefe sind Weg und Ziel eins in der Wahrheit. Und für diese braucht es keine Begriffe.