Wie man mit Leid umgehen kann

Cover_LeidDas Buch von Thomas Hohensee nennt sich „Stärker als das größte Leid. In drei Schritten unerschütterlich durchs Leben“. Ratgeberliteratur eben. Die gibt’s wie Sand am Meer und ist auch so interessant wie dieser. Das Buch ist trotzdem lesenswert.

„Das Leben ist schwierig“, so das erste Unterkapitel. Und alles kann sich schlagartig ändern. Wie Menschen darauf reagieren ist unterschiedlich – und das hat Gründe. Die einen werden völlig aus der Bahn geworfen, die anderen sind unerschütterlich und gehen ihren Weg. Die Mehrheit liegt irgendwo dazwischen. Die Lösung, die der Autor vorschlägt, ist der Dreischritt von Akzeptanz, Sinngebung und Improvisation. Leid annehmen und verwandeln, dadurch könne man unerschütterlich werden. Die letzte Stufe werden nur wenige erreichen – das unterscheidet dieses Buch von der Ratgeberliteratur und macht es lesenswert. Obwohl ein „Alles ist lösbar“ immer wieder durchklingt. Aber darüber kann man hinweglesen.

Am interessantesten wird das Buch, wenn es von Laotse, Buddha oder den Stoikern erzählt. Und auch da, wo es immer wieder zu eigenem Denken anregt – auch das macht dieses Buch lesenswert, dafür wären Ratgeber eigentlich da. Plattitüden lassen sich offenbar nicht ganz vermeiden, aber immer wenn man durch solche Allheilmittel genervt ist, wird es wieder interessant und anregend.

„Es sind nicht die Ereignisse, die darüber bestimmen, ob man leidet.“ Es ist die Reaktion darauf oder die innere Einstellung dazu. Es hängt auch davon ab, „welche Programme man in früher Kindheit aufgespielt bekommen hat“. Es gibt allerdings Traumata, die so tief sind, dass sie sich so nicht „heilen“ lassen. Wenn man akzeptiert, dass das Buch nicht für solche Extremsituationen geschrieben wurde, dann liest sich das Buch sehr gut. „Es kommt eben nicht darauf an, wie schlimm ein Erlebnis tatsächlich ist, sondern wie wir es bewerten.“ Der Satz ist richtig, hat aber seine Grenzen.

Gleichmut, die Dinge so nehmen, wie sie sind, macht schon mal vieles leichter. Den Erlebnissen einen Sinn geben, macht wirklich Sinn. Wobei klar sein muss: „Dinge haben nicht von sich aus Sinn, aber man kann ihnen diesen verleihen.“ Und dann wäre noch die Improvisation oder Flexibilität oder Anpassungsfähigkeit oder Kreativität.

Da wären wir an so einem Punkt, wo sich das Weiterdenken lohnt. Die Überwindung von Gewohnheit ist schwierig, vor allem deshalb, weil sie im allgemeine Weltbild verankert ist. Dieses lehnt nicht an die Naturwissenschaft an, insbesondere an die Physik. Deren Methode ist die Analyse und die ist statisch. Sie zerlegt die dynamische Wirklichkeit in statische Teilchen. Wenn der Autor Laotse, Buddha oder die Stoiker zitiert, dann sind das dynamische Weltbilder, die den natürlichen Wandel im Auge haben. Nicht festhalten, sondern loslassen. Nicht die Objekte, sondern der Weg ist wichtig. Tun und Loslassen gehören zusammen. Das eine gibt es nicht ohne das andere. Yin und Yang. Das innere Gleichgewicht ist kein Ruhezustand, sondern ein dynamisches Ausbalancieren. Dynamik heißt auch: Es gibt nichts Vollkommenes. Perfektionismus ist statisch, damit starr und unnatürlich.

Auch wenn uns manchmal Grenzen gesetzt sind, über die wir nicht hinauskommen, so gilt doch dieser Satz, der fast das Motto des Buches sein könnte: „Menschen überschätzen, was an einem Tag möglich ist, und unterschätzen, was sie in einem Jahr bewegen können.“ Auch das führt weg von einem statischen Weltbild, das aus dieser Sicht beinahe schon pathologisch ist, auch wenn es der Mehrheit entspricht.

 

Thomas Hohensee
Stärker als das größte Leid
In drei Schritten unerschütterlich durchs Leben
Nymphenburger Verlag, 2018
ISBN: 987-3-485-02952-0

EUR 16,50x