Das Leben ist immer bedroht. Wie gehen wir damit um? Im neuen Buch von Verena Kast, der Neuauflage von „Zuversicht. Wege aus der Resignation“, geht es um „Die kreative Kraft von Hoffnung und Zuversicht“ – ein hochaktuelles Thema, das zum Nachdenken anregt.
Die Zukunft ist prinzipiell offen, daher ist die Frage so wichtig, wie wir damit umgehen. Immer wieder im Leben stehen wir vor einem Neuanfang, dem „wohnt ein Zauber inne“, wie Hermann Hesse schreibt, es kann aber auch Angst mitschwingen. Der Zauber besteht in der Faszination vor dem Neuen, auch vor dem (noch) Fremden. Die Angst hält uns davor zurück, besser nichts riskieren. Für das Neue offen zu sein, setzt Vertrauen voraus, die Angst ist meist mit Misstrauen verbunden.
Das Urvertrauen entsteht in den ersten Lebensmonaten und -Jahren. Daher geht es nicht nur um die Zukunft, sondern auch um die Vergangenheit. Als Mensch sind wir immer auch abhängig. Besonders am Beginn des Lebens, wo der Säugling einfach vertrauen muss, weil er gar keine andere Wahl hat. Selbst dann, wenn seine Bezugsperson(en) gar nicht vertrauenswürdig sind. Wird dieses Vertrauen enttäuscht, wird das ganze Leben von Misstrauen geprägt sein. Hinter dem Vertrauen steht die Hoffnung, hinter dem Misstrauen steht die Angst.
Es geht also um Beziehung(en), um einen weiblichen Raum des Vertrauens. In diesem Raum können sichere Bindungen entstehen – die heute so sehr vernachlässigt werden. Zu diesem „Mutterraum“ gehört nicht nur die Mutter, sondern auch die Umwelt, die Natur und die Interaktion in der Welt. So wie die ersten Beziehungen sind, so werden sie im Leben auf andere Menschen und Beziehungen übertragen.
Vertrauen und Angst können auch gemeinsam – in unterschiedlicher Gewichtung – auftreten, auch nacheinander in verschiedenen Situationen. Immer wieder stehen wir vor einem Neubeginn. Alles Leben ist widersprüchlich (Platon, Hegel), daher kann es durchaus passieren, dass Hoffnungslosigkeit in Vertrauen, Verzweiflung in neue Hoffnung umschlägt, und gar nicht klar ist, woher und wie das kommt.
Verena Kast, renommierte Jung’sche Analytikerin und Psychotherapeutin, geht davon aus, dass die menschliche Entwicklung eine Entwicklung zu mehr Mündigkeit, zu mehr Autonomie ist, die auch in Beziehungen nicht verloren, sondern gewonnen werden sollte. Das bedingt aber die Ablösung von den Eltern- und Autoritätskomplexen, von Komplexen überhaupt, „um wirklich ein Original zu werden und nicht eine Kopie der Eltern zu bleiben…“ Es gilt, immer mehr die zu werden, die wir eigentlich sind. Diese Entwicklung nannte Jung Individuation. Die Beziehung zum Selbst und zum Mitmenschen stehen dabei in engem Zusammenhang, bedingen einander – genauso wie Autonomie und Beziehungsfähigkeit.
Sehr verständlich wird die Terminologie C.G. Jungs erklärt: Ichkomplex, Schatten, Anima/us, Selbst, die Vereinigung der Gegensätze, Ganzheit, der/die Alte Weise, das göttliche Kind – der Individuationsprozess und die Geburt von neuen Lebensmöglichkeiten. Auch das Thema der Märchen wird angeschnitten, aus deren Sicht Probleme dann entstehen, wenn das Leben einseitig gelebt wird, Möglichkeiten nicht einbezogen oder bestimmte Aspekte vernachlässigt werden. Die gilt es dann ins Leben hereinzuholen.
Dieses lesenswerte Buch enthält eine Fülle von Gedanken, Anregungen und Fallbeispielen aus der Praxis der Psychotherapie. Es ist verständlich geschrieben und erfordert keinerlei Vorbildung. Wer mit dem Thema schon vertraut ist, wird zum Weiterdenken animiert.
Verena Kast
Immer wieder neu beginnen
Die kreative Kraft on Hoffnung und Zuversicht
Patmos Verlag 2020, Hardcover 136 Seiten
ISBN 978-3-8436-1280-7
EUR 15,00 / A 15,50