Dis/Harmonie

 

Es gibt eine Verbindung,

eine Seelenkongruenz,

die unendliche Harmonie

von Stille, Intimität und Frieden,

und äußerste Gegensätzlichkeit

gewaltig gegenläufiger Wogen

zu einem Muster flechten kann.

 

Doch ist tiefste Harmonie vergeblich,

wenn die Gegenläufigkeit

nicht aufeinander zu,

sondern voneinander weg führt.

Das voneinander Weg scheint friedlich,

das aufeinander Zu von wonniger Erwartung

mündet sich berührend jäh in Turbulenzen,

zieht hinab zu Meeresungeheuern

wo kein Sterblicher atmen kann.

 

Gleichzeitig in der Gischt des Zusammenpralles

verbindet Wasser schäumend sich mit Luft

fliegen Wassertropfen sonnenspiegelnd

schwebend frei und fallen wieder

aufs Wasser, das sich glatt beruhigt,

den Blick nun freigibt in die Tiefe,

bis er sich irgendwo verliert,

Unendlichkeit des Himmels spiegelt

bis zur nächsten Turbulenz.

 

Wohl dem Paar, das sich gefunden,

fest am Ufer steht umarmt

den Blick in die Tiefe gerichtet

sich nicht hinabziehen lässt,

vom Wind sich umspielen lässt,

ohne fliegen zu müssen,

nass von der lichtspiegelnden Gischt,

die nackten Körper von der Sonne

trocknen lässt.

 

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Todestrieb

So gibt es ihn doch,

den Todestrieb?

Nicht als Drang zur Vernichtung,

sondern wehmütiges Drängen

in ein anderes, nicht dieses Leben.

 

Als Suche nach dem Ideal,

von Grenzen nur behindert,

der Endlichkeit zu entgehen,

dem Hier zu sterben,

um dort scheinbar zu leben.

 

Es wäre so einfach

sich der Begrenzung zu ergeben.

Der bunte Vogel

singt auch im Käfig,

und im Träumen wär er frei.

 

Doch ist es so schwer

im Gestein das Ewige zu sehen.

So verwerfen wir den Stein,

wieder verbunden im Innern,

dem Außen entschwunden.

 

Wie tiefgehend und so real,

doch eine andere Realität.

Dem Hier und Jetzt verdorben,

denn im Realen nicht zu sein,

nennt man doch gestorben.

 

Das Leben im Ideal ist stilles Glück,

das Endlichkeit nicht bieten kann.

Doch  wiegt ein einziges Aufblitzen

durch Begrenzung hindurch

knochenlose Verbundenheit auf.

Auferstehung

In die Welt geworfen

zerbrechend

in gebrochener Welt

aber unendlich strebend

nach dem Unerreichbaren

es antizipierend

wirklich zu sehen.

 

Himmel und Erde

unversöhnlich

doch aufeinander

bezogen und angewiesen

 

Dann hüllte sich der Himmel

in irdisches Gewand  –

wie nahe der Himmel war

in seiner Unverstandenheit  –

und nahm das gebrochen

Irdische in den Himmel auf

 

Jetzt ist es möglich

im Gefängnis

den Himmel

offen zu sehen

dem, der es wagt

Fließen

 

Im Fragmentieren unserer Welt

haben wir den Lebensfilm

zu Standbildern degradiert.

So schnell sie auch aufeinanderfolgen

es wird kein Film mehr draus.

 

Die Zeiger der Uhren springen

von Sekunde zu Sekunde,

das Dazwischen überspringend,

um uns notdürftig zu erinnern,

dass da etwas Fließendes war.

 

Im Zusammensein vergeht die Zeit

wie in rasendem Fluge.

Im Warten dehnt sie sich

kommt kaum an ein Ende,

und Tränen lassen die Zeit stillstehen.

 

Als wäre sie in einem Standbild eingefroren.

Kein Zeiger, der weiterspringen würde,

als wär alles Fließen zu Eis erstarrt.

Nur Licht und Wärme der Sonne

könnte die Zeit wiederbeleben.

 

Erde getrennt vom Himmel

oder Himmel ohne Erdengrund

bringt kein Lebendiges hervor.

Nur wenn der Himmel sich zur Erde neigt,

kann Leben sich entwickeln.

Gleichnis

Wenn das, was wir sehen
nur ist, was wir säen,
dann ist das, was bloß objektiv wir nennen,
das, was wir gar nicht wahrnehmen können.

Selbst wenn du die Bibel auswendig kannst,
und glaubst, dass du den Inhalt kennst,
hast du sie buchstäblich veräußerlicht,
tief verinnerlicht hast du sie nicht.

Buchstaben und Worte aneinandergereiht,
sind wie Boote mit kostbarem Inhalt.
Doch nur Tod auf Booten gedeiht,
die hölzern vermodern ohne Gehalt.

Der Buchstabe tötet,
beraubt, ohne Sinn,
nur der Geist macht lebendig
nur Leben Gewinn.

Begriffe begreifen Begrenztes,
deutlich, exakt, doch nicht wirklich.
Symbole schildern dunkel in Bildern,
auf allen Ebenen ergeben Lebendes.

Was so festgefügt uns erscheint und gefällt,
ist die Illusion von Platons Schattenwelt.
Woraus diese Welt scheinbar zusammengefügt,
dem Kleinsten wie dem Ganzen niemals genügt.

Ob physikalische Begriffe oder religiöse Erzählung,
erst mit dem Unbegreiflichen in Vermählung
Sichtbares mit Unsichtbarem fest verbindet,
und gleichnishaft zur Wirklichkeit erfindet.

Ostern

Ich bin zugegen, als der Herr sagt:
„Dies ist mein Leib … Dies ist mein Blut…“
Ist er doch ganz Mensch und ganz Gott!
Er sieht mich an und fragt:
„Bist du dir deiner Menschlichkeit bewusst? Weißt du um deine Göttlichkeit?
Folge mir nach – in beiden Aspekten!“

In dieser abgrundtiefen Zerrissenheit…
Von dieser Welt, in dieser Welt, ans Kreuz geschlagen,
blutend – und doch triumphierend.
Nicht von dieser Welt, immer schon weit mehr als Mensch,
ek-statische Existenz, herausragend, in Ewigkeit hinein.
Dreh- und Angelpunkt, das Kreuz, wo das Irdische sich ins Ewige wandelt.
Doch erst am dritten Tag!

Die Taufe ist zunächst untertauchen, nackt und bloß
ins Angesicht der Unterwelt, der Toten,
ohne die es keine Auferstehung gibt.
Erlöst werden müssen die Leichen,
auferweckt, verlebendigt einzig durch Liebe.

So bringe ich das Unterste dem Obersten näher
durchlichte meine Hölle, steige mit ihr empor
und rette mit – meine ganze Welt.

Verstehen

Wer verstehen will,
will verstanden werden,
ein hehres Ziel
auf zwiespältig Erden.

Je mehr man versteht,
desto weniger verstanden;
wenn Zeit vergeht
über allen Landen.

Bis man endlich versteht
und muss eingestehen:
im Sande verweht
ist alles Verstehen.

Schauen zwar Welten gebiert,
die Räume umhüllen,
doch diese verliert
mit Leben zu erfüllen.

So muss denn Verstehen
alle Standpunkte lassen,
in endlose Weiten gehen
alle Welten so belassen.

Bei einem Menschen bleiben.
Alle Welten und Weiten
blindlings einverleiben.
Im Augenblick sind alle Zeiten.

Vertrauen statt verstehen,
erfühlen statt begreifen.
Auf endlosen Wegen
unter Dornen reifen.

Zufriedenheit wächst aus Überdruss.
Wie das Samenkorn in der Erde stirbt,
und süßer Wein gekeltert werden muss.
Neues entsteht, wenn Altes verdirbt.

Das Verstehen ist nicht mehr Töpfer,
schmiegt sich an gewordene Formen,
fragt nicht nach dem Schöpfer.
Liebt ohne jegliche Normen.

Alles zerrinnt
und nichts mehr blendet.
Verstehen beginnt
wo Verstehen endet…

Wenn Worte fehlen

Wenn Worte sich um dein Herz krallen
und jede Antwort unmöglich wird
hörst du einfach auf zu lallen
jedes weitere Wort krepiert

Wenn du verstehst, was war gemeint
doch unmöglich, es in Worte zu fassen
du meinst, es hätte euch geeint
doch musst du alles stehen lassen

Ich glaube, dich zu verstehen
und weine doch vor mich hin
als würden wilde Krähen
vernichten, was ich bin

Versunken im tiefsten Nicht
vergeblich einen Ausweg sucht
schlägt der Brandung Gischt
an nicht vorhandene Bucht

Versagen alle Brücken
Kein Horizont ist mehr in Sicht
geh nicht mal mehr auf Krücken
Wenn jeder Weg zusammen bricht

Doch geh über zerbrochene Brücken
auch wenn kein Ziel in Sicht
stelle mich allen Tücken
wandere ziellos ins Nicht

Die vielen, die ich bin

Mal Sonne, mal Gewitter,
mal Freude und Glitter,
dann wieder Wut,
entfachte Glut
und Resignation.

Wieder leuchtet Zukunft sonnenklar,
als wäre nicht, was einmal war,
dann wieder hoffnungslos
und unergründlich bodenlos –
alles ein Schauplatz nur.

Könnt umarmen die ganze Welt,
als ob nur die Liebe gelt,
und könnt einen Unliebsamen morden,
wie im hohen, kalten Norden.
Und doch bin alles Ich.

Und noch viel mehr, denn zwischen Gegensätzen
ist so vieles, das entflieht Gesetzen.
Immer ein Anlass von weit draußen
mir zeigen will, es ist nicht außen –
wirft ewig mich zurück auf mich.

Wie kann ich sagen, die Welt sei schlecht?
Ich wüsste schon, wie es wär recht.
Wenn die Welt bloß ein Spiegel
für mein innerstes Siegel.
All das bin doch nur Ich.

Doch wozu dieses Lieben und Morden,
das verbindet und trennt Süd und Norden?
Ist die Welt unsere Illusion?
Das Ich ist eine solche schon?
Zerbrochenes misst an Zersplittertem sich.

Nun kämpfen Teile mit and‘ren Fragmenten,
immer auf der Suche nach geeinten Momenten.
Doch ist‘s unser fragmentierendes Denken
das nie zum Ganzen kann uns lenken.
Zerrissen schweb über dem Abgrund ich.

Könnt alle Grenzen verschwinden lassen
und so beenden alles Morden und Hassen?
Nicht schwarz oder weiß – ein Spektrum ists,
transzendentes Fühlen – nicht Buddhist oder Christ.
Aus Widersachern mache Menschen ich.

Doch fänd‘ nicht alle Sonnen und Gräuel innen,
wie könnt ich dieses eine Netz nur spinnen?
Dann die Widersprüche auszuhalten,
nicht wegzuschieben ganz verhalten.
Liebe setzt sich über Abgründe hinweg.

Doch Abgründe setzen zwei Klippen voraus
die die Liebe belässt von Haus zu Haus,
nicht leugnet, nicht verdrängt, nicht verschweigt
und damit keine Realität vergeigt.
Doch Brücken baut und alles verbindet.