Männliches und Weibliches

Mann&Frau2Im Billrothhaus in Wien fand Mitte Oktober eine Fachtagung „Mann & Frau“ statt. Veranstalter waren die Sigmund Freud Privat Universität Wien, das Institut für Ehe und Familie (IEF) und das Institut für Religiosität in Psychiatrie und Psychotherapie (RPP).

Das 19. Jahrhundert war vom Biologismus geprägt, Mann und Frau wurden nur durch die Brille des „kleinen Unterschieds“ gesehen, im Wesentlichen die primären Geschlechtsorgane. Dass dies eine naive Verkürzung der Situation war, ist nicht zu leugnen, und daher kam es im 20. Jahrhundert zur Gegenbewegung des Genderismus. Die Biologie ist bedeutungslos, es lebe die soziale Differenzierung und Beliebigkeit. Gegenbewegungen kommen immer überspitzt daher, sonst würden sie nicht wahrgenommen, so Raphael Bonelli (der auch ein Buch zum Tagungsthema veröffentlicht hat). Aber auf These und Antithese folgt die Synthese im 21. Jahrhundert in der Gender-Medizin. Diese hat die Unterschiede im Männlichen und Weiblichen entdeckt, die bis ins Hirn und in jede Zelle des Körpers reichen, und sie hat keine Berührungsängste mit dieser Diversität. Es ist aber auch klar, dass soziale Prägungen hinzukommen, die man sich ebenfalls genau anschauen und notfalls in vernünftige Bahnen lenken muss. Bonelli kennzeichnet die drei Phasen als Geschlechter-Narzissmus (19. Jhdt.), Geschlechter-Konkurrenz (20. Jhdt.) und Geschlechter-Ergänzung (21. Jhdt.). Seine Take-Home-Botschaft: Mann und Frau sind verschieden, ergänzen sich aber wunderbar.

Wer symbolisch denken kann, ist dabei eindeutig im Vorteil. Da geht es nämlich um das Prinzip Männlichkeit und Weiblichkeit, das in unterschiedlicher Ausprägung bei Mann und Frau vorkommt. Das beginnt bei den Hormonen im männlichen und weiblichen Körper, wie die Gynäkologin Doris Gruber in ihrem Vortrag „Die Biologie des Liebeslebens“ ausführte. Das wirkt sich natürlich im sozialen Bereich aus, führt nicht nur zu geschlechtsspezifischen psychosozialen Krisen (Beate Wimmer-Puchinger), sondern auch dazu, dass Frauen die längste Zeit aus der Wissenschaft ausgeschlossen waren und es immer noch schwer haben.

Raphael Bonelli präsentierte neueste Studien zur Geschlechterdifferenz bis hin zu Unterschieden im Gehirn und der unterschiedlichen Lösung von Aufgaben. Dass der genetische Unterschied zwischen Mann und Frau gerade mal 1.5 Prozent ausmacht und laut das 20. Jahrhundert überlebenden Genderfanatikern vernachlässigbar sei, entkräftet er damit, dass auch der genetische Unterschied zwischen Mensch und Affe 1,5 Prozent beträgt. Also irgendwas muss an den 1,5 Prozent doch dran sein. Außerdem verhalten sich Mädchen als Mädchen und Buben als Buben, noch bevor sie selbst den Unterschied kennen. Männer sind tendenziell funktional-sachbezogen, Frauen beziehungsorientiert-personenbezogen, und das schon unmittelbar nach der Geburt. Auch das Gehirn ist männlich oder weiblich. Männer lösen Aufgaben vorwiegend mit der grauen Substanz (Nervenzellkörper), Frauen mit der weißen Substanz (Nervenfasern, Leitungsbahnen, Verbindungen). Männer denken linear und fokussiert, Frauen vernetzt und assoziativ.

Kränkungen – Angst vor Liebesentzug
In einer nicht funktionierenden Partnerschaft – wie im Leben überhaupt – geht es sehr oft um Kränkungen. Der Psychiater Reinhard Haller begann bei Kain und Abel, der Urerzählung der Kränkung, und spannte den Bogen bis zum aktuellen Terrorismus, der auf einer Kränkung beruht und sich gegen die „heile Welt“ richtet, an der die Protagonisten nicht teilhaben können. Heute häufen sich auch die Fälle, wo jemand tabula rasa in der Familie macht, oder die Schulmassaker, die oft auf einer an sich kleinen Kränkung beruhen, die aber ein Fass zum überlaufen bringen. Diese Kränkungen sind nur äußerlich Kleinigkeiten, innerlich sind sie furchtbar. Kränkungen sind eine nachhaltige Erschütterung des innersten Selbst und seiner Werte, die Urangst dahinter der Liebesverlust, die Angst, nicht geliebt zu werden. Wobei Kränkungen immer einen wahren Kern haben.
Eine radikale Form ist die Demütigung, die einem den letzten Mut raubt. Viele große Kriege begannen mit einer Demütigung. So der Erste Weltkrieg mit der Ermordung des ohnehin unbeliebten Thronfolgers, das Ergebnis waren Millionen Tote. Hitler versprach einem gedemütigten Volk die endgültige Lösung.
Die Beleidigung ist die staatlich anerkannte Form der Kränkung, die sonst weder in der medizinischen oder psychiatrischen Ausbildung, noch irgendwo im Rechtssystem vorkommt. Interkulturell heikel ist der Ehrbegriff, der in anderen Kulturen eine ganz andere Bedeutung hat als bei uns. Die Blutrache zieht oft eine Spur über Jahrhunderte hinweg. Verbitterung ist die unheilbare Form der Kränkung. Mobbing kann man als die systematische Kränkung betrachten.
Die Wurzel aller Kränkungen ist die Angst vor Liebesverlust, daher ein zentrales Thema in einer Partnerschaft. Liebe ist auch die Positivresonanz der wichtigsten Person im Leben. Sehr oft kommt es zur Enttäuschung, die sich gegen sich selbst richtet, weil dem ja eine Täuschung vorangegangen ist. Fehlendes Lob oder Nichtbeachtung ist eine permanente Kränkung. Oft endet das im Schweigen, Ausdruck tiefen Getroffenseins, aber auch großer Aggression. Partnerschaft ist oft auch ein Machtkampf, die Lösung kann darin liegen, sich in den anderen hineinzuversetzen.
Die heutige Gesellschaft ist geprägt von einem zunehmenden Narzissmus, wobei dieser nicht Eigenliebe ist, sondern Eigensucht. Ein Narzisst saugt Lob und Bewunderung auf, wertet andere ab, zu Liebe und Empathie ist er nicht fähig. Daher die zunehmende Kälte und Entsolidarisierung der Gesellschaft.

Der Mythos von Mann und Frau
Das theologische Verhältnis von Sexus, Eros und Agape erläuterte Joseph Spindelböck, wobei man sich gewünscht hätte, dass er den Kirchensprech in eine Sprache übersetzt hätte, die die Menschen heute verstehen. So kamen eher die Probleme der Kirche als die von Mann und Frau zur Sprache.

Die Theologin und Philosophin Hanna Barbara Gerl-Falkovitz brachte gewohnt virtuos die geheimnisvolle Spannung zwischen Mann und Frau im interkulturellen Kontext zur Sprache. In Indien, wo Ehen von den Eltern gestiftet werden, ist die Hochzeitsnacht kein Akt personaler Liebe, sondern ein sakraler Vollzug der Weltschöpfung. Shiva und Shakti sind die Symbole des Männlichen und Weiblichen. Wobei das Männliche Prinzip Ruhe, Sein und Ewigkeit ausrückt, das Weibliche Zeit, Energie und Dynamik. Der Geschlechtsakt drückt das Prinzip des Daseins, das Geheimnis des Ganzen aus.
In China ist der Kaiser für den Tag, die Kaiserin für die Nacht zuständig. Er regelt die Geschicke des Staates, ist zuständig für das Ganze, sie muss eigentlich nur da sein. In Persien, beim Schachspiel, tut der König nichts, die Dame kämpft. Mythologisch ist Männliches und Weibliches scheinbar austauschbar. Allerdings muss man auch sehen, dass im Asiatischen Ruhe nicht Passivität, sondern höchste Energie bedeutet.

Im Mythos, so Gerl-Falkovitz, ist die Frau das Abenteuer des Mannes, das der Mann zu lösen hat, indem er meist drei Aufgaben erfüllen muss. So fordert Brunhilde den Helden zum Dreikampf heraus, bei dem sie sich als die Stärkere erweist, aber er sie dennoch mit List besiegt. Erst dadurch kommt eine Beziehung auf Augenhöhe zustande. Bei Wagner fügt das Schicksal einen Keil zwischen die beiden. Nach der Ermordung Siegfrieds verbrennt sie sich gemeinsam mit ihm auf dem Scheiterhaufen in einer endgültigen Ehe.
In der Bibel ist Eva kein Name, sondern bedeutet Leben schlechthin, die Unergründlichkeit des Lebens. Bezeichnend auch im Mythos, dass die Frau keinem Zwang unterliegt, sie kann auch 1000 Jahre warten. Sie ist bleibendes Geheimnis, lockende Andersheit. Beziehung ist immer ein Hinausgehen aus mir selbst. Diese bleibende Fremdheit führt in letzter Konsequenz zur Andersheit, die zum Wesen Gottes gehört. So ist die menschliche Geschlechtlichkeit letztlich die Durchsicht auf Gott. So kann Erotik zum „Fenster in die Differenz in Gott werden, ohne dass Gott Mann und Frau wäre.“