Wo sich Christentum und Buddhismus treffen – Gebet und Meditation

„Meditation – wozu? Buddhismus, Autosuggestion & Gebet“ – ein Gespräch zwischen Gerhard Weißgrab,  Präsident der Österreichischen Buddhistischen Religionsgemeinschaft ÖBR, und Weihbischof der Erzdiözese Wien, Stephan Turnovszky. Schauplatz: Sigmund Freud Privatuniversität, organisiert vom RPP-Institut (Religiosität in Psychiatrie und Psychotherapie) am 25. 2. 2014.

Das Gespräch beginnt mit ganz praktischen Gemeinsamkeiten: Weihbischof Turnovszky hält gleich am Anfang fest, dass es viele Menschen gibt, die behaupten, dass sie so viel beten – und man bemerkt nichts. Präs. Weißgrab betont ebenfalls, dass es viele gibt, die meditieren – aber es geschieht nichts.

Es gibt, so Weihbischof Turnovszky, zwei Voraussetzungen für das christliche Gebet: 1. Gott ist Liebe und 2. Gott ist Nähe. Diese Nähe, dies Immanenz, ermöglicht die Kommunikation mit Gott, der sich in Jesus Christus inkarniert hat. Neben verschiedenen Formen des Gebets – durch Worte, durch Gedanken, durch Gefühle – steht als viertes das Gebet mit dem Sein, das als Kontemplation oder Meditation bezeichnet wird.  

Kriterium dafür ist das Wachsen in der Nächstenliebe einerseits und das Unabhängig-Sein von Stimmungen. Diese Kontemplation ist nicht unbedingt immer angenehm, es gibt die Nacht des Gebets, es geht auch um das Ertragen von Negativem, von Leid usw.

Weitere Kriterien: Bin ich bei Gott? Oder bei mir? Geht es um Leistung? Oder Locker-werden und Loslassen? Bin ich zum Leiden bereit? Zum Vergeben? Und zuletzt: Es betet in mir! Wobei dieses „Es“ personal gedacht wird, als Heiliger Geist.

Daran kann Präs. Weißgrab nahtlos anschließen: „Es betet in mir, das ist der buddhistische Ansatz.“ Die Frage ist: Was ist das, was da sitzt? Der Unterschied: Der Buddhismus ist nicht theistisch. Aber: Sunyata – Leerheit von allem Sein – ist letztlich Fülle. Letzte Konsequenz im Buddhismus ist die Eigenverantwortung. Kriterium ist eine umfassende Liebe und Güte, Mitgefühl mit allen fühlenden Wesen, Mitfreude und Gleichmut. Und das berühmte Leben im Hier und Jetzt, das auch Weihbischof Turnovszky als Kriterium genannt hatte.

Meditation ist im Buddhismus nicht alles, aber ohne Meditation ist es kein buddhistischer Weg. Dabei geht es nicht um Glauben, sondern um Erkenntnis. Alles dreht sich um Wissen/Erkenntnis, um ein ethisches Leben und um Versenkung. Das – im Westen so total missverstandene – Nirvana ist Erwachen, Erleuchtung. Und Weißgrab ist überzeugt: Auf tiefer Ebene können sich Buddhismus und Christentum treffen. Er meint sogar, wenn man einen Buddhisten, einen Sufi und einen christlichen Mystiker ihrer Kleidung beraubt und sie in einem Raum diskutieren lässt, würden wir an dem, was sie sagen, nicht erkennen, wer wer ist.

Verbindendes statt Trennendes

Das hört sich alles ganz anders an als das übliche Schablonendenken: Monotheismus versus Religion ohne Gott als scheinbar totaler Gegensatz. Aber das kratzt nicht einmal an der Oberfläche. Zu bedenken ist, dass da jeweils ein anderes Weltbild dahinter steht – es also nicht um die Übersetzung von Begriffen, sondern die Übersetzung von Weltbildern geht.

Weiters ist das Christentum eine Offenbarungsreligion, der Buddhismus eine rein pragmatische Religion. Der Buddha hat nicht gesagt, dass es keinen Gott gibt, sondern dass es keinen Sinn hat, darüber zu reden. Das Christentum redet vom Ziel, weil sich Gott in der Geschichte offenbart, jedoch im Bewusstsein, dass er immer unendlich mehr ist als ausgesagt werden kann. Der Buddhismus redet nicht vom Ziel, weil sich dort jedes Reden aufhört.

Der Gegensatz „persönlich – unpersönlich“ ist so eine eigene Diskussion. In einem asiatischen Weltbild interessiert das Ich – das es loszulassen gilt. „Person“ ist ein griechisch-westlicher Begriff, den es so in Asien nicht gibt. Der aber heute auch im Westen nicht mehr verstanden wird, weil „Person“ heute beinahe das Gegenteil dessen bedeutet, was damals damit gemeint war. Der Begriff leitet sich ja von der Maske der Schauspieler her, ist das, was sozusagen die Maske zum Leben erweckt, aber selbst nicht sichtbar ist. Was für den Buddhismus als „unpersönlich“ übersetzt wird, ist aber – in unser Weltbild übersetzt – das Loslassen der Maske und nicht das Leugnen dessen, was dahinter ist.

Auch der Gegensatz „Erlösung“ im Christentum und „Selbsterlösung“ im Buddhismus ist missverständlich. Die Praxis mag unterschiedlich sein, vom Ziel her gibt es durchaus auch hier eine Annäherung. Buddhistisch: Wir alle sind erleuchtet, wir müssen nur die Hindernisse (Hass, Gier, Neid, Anhaften an die Welt usw.) wegräumen. Was nach dem Wegräumen passiert, darüber kann man jetzt nicht reden. Christlich: Wir sind bereits erlöst, wir müssen es aber auch annehmen. Wir leben in der Liebe Gottes, aber wir sind verstrickt in eine widersprüchliche Welt, so dass es schwer ist, dies zu sehen.

Christlich geht es um die Liebe Gottes und die Antwort des Menschen darauf, die sich vor allem in der Nächstenliebe äußert. Buddhistisch geht es darum, eine allumfassende Liebe und Güte, Mitgefühl, Mitfreude zu entwickeln. Christlich führt die Liebe zum Erkennen, buddhistisch führt das Erkennen zur Liebe. Wozu sollen wir uns da auf Differenzen versteifen?

Buddhismus ist Psychologie und reiner Pragmatismus. Es geht um das Loslassen des Ego, des Anhaftens an die Welt. Was dann kommt, das kommt. Christlich geht es um das Loslassen des Ego und ein Leben in Fülle. Das Leben ist Christus („Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“). Johannes der Täufer: „Ich muss abnehmen, Er muss wachsen.“ Paulus: „Nicht ich lebe, sondern Christus lebt in mir.“ Der Christ hat sozusagen eine Ahnung, was dann kommt, glaubt es zumindest. Der Buddhist lässt völlig offen, was kommt. Würden Christen bedenken, dass Gott auch und vor allem transzendent ist, immer unendlich mehr als sich sagen lässt, trotz aller Offenbarung, und wenn Buddhisten anerkennen, dass Nirvana die Fülle, das Leben ist, dann könnten wir die Differenzen vergessen. Denn auch im Christentum geht es in erster Linie ganz pragmatisch um das Loslassen und nicht darum, eine Vorstellung vom Ziel zu haben. Das alttestamentliche „Du sollst dir kein Bild machen!“ ist durch das Neue Testament nicht aufgehoben.

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