Die beste aller Regierungsformen

Da sind wir uns doch einig: die Demokratie. Aber auch da gibt es verschiedene Ausprägungen, und der Populismus ist europaweit dabei, die Demokratie zu untergraben. Worauf also steuern wir zu? Auf ein Revival oder eine Demontage der Demokratie?

Um es gleich vorwegzunehmen: Es geht nicht um die formale Regierungsform, sondern um die Menschen, die eine Gesellschaft organisieren. Und um noch etwas vorwegzunehmen: Demokratie wird in demokratischen Ländern massiv missverstanden: als Herrschaft der Mehrheit(en). Demokratie bedeutet aber nicht, dass die Mehrheit bestimmt, sondern dass die Minderheiten gehört werden. Und da geht der Europatrend in die verkehrte Richtung.

Aber beginnen wir in den USA: Da haben wir eine demokratische Verpackung, und dahinter eine Diktatur der Lobbys, für die der jeweilige „mächtigste Mann der Welt“ das Feigenblatt abgeben darf. Oder er spielt, wie George Bush, zu offensichtlich mit. Direkte Demokratie gibt es in einigen Bundesstaaten, das Amt des Obersten machen sich die Milliardäre untereinander aus, das Amt ist teuer erkauft. Natürlich nach den Regeln der Demokratie – ohne Risiko, es steht ja nichts anderes zur Wahl.

In Europa hat die Schweizerische direkte Demokratie irgendwie Vorbildwirkung – sogar für die Rechtsparteien, und das mit gutem Grund. Die Schweiz zeigt vor, dass das ganz gut, aber doch nicht so recht funktioniert. Das Volk über alles abstimmen zu lassen bedeutet in der Praxis oft, die Minderheiten nicht zu hören, sondern zum Schweigen zu bringen. Dagegen gibt es noch kein Medikament. Und seit die Populisten aller Länder sich der Demokratie annehmen, ist diese enorm gefährdet.

Schon bei der Abstimmung gegen die Minarette war klar geworden, dass wenn alle mitbestimmen, es sehr wahrscheinlich wird, dass die Nicht-Betroffenen den Ausgang der Wahl bestimmen. Wo Moslems leben, stimmt die Mehrheit für die Minarette, in Regionen, die noch keinen Moslem zu Gesicht bekommen haben, ist die Mehrheit dagegen. Unbestimmte bis unbegründete Ängste dominieren die Abstimmung. Detto bei der kürzlich abgehaltenen Abstimmung gegen die „Masseneinwanderung“ (Das Wort allein genügte, um das Wahlergebnis zu manipulieren). Zu zweifelhaftem Ruhm brachte es dabei die Gemeinde Horrenbach-Buchen, 260 Einwohner, die Abstimmung ging mit 117 zu 8 Stimmen gegen die „Masseneinwanderung“ aus. Das „beste“ Ergebnis für die SVP. Dabei kennen die Horrenbacher die fremden Eindringlinge bestenfalls aus den Medien, denn nach Horrenbach-Buchen hat sich noch keiner verirrt. Aber sie wissen ganz genau, was auf sie – oder die anderen – zukommt, sollten sie in Massen auftauchen. Wieder einmal haben die gewonnen, die vom Problem keine Ahnung haben – und das ist eben direkte Demokratie.

Nichts gegen Demokratie! Sie ist natürlich die unserem Sicherheitsbedürfnis am besten entsprechende Regierungsform. Sie gibt uns das Gefühl, mitbestimmen zu dürfen. Ob dahinter dann die Lobbys diktieren oder die Ignoranten, das ist eben mehr Bestimmung als Mitbestimmung.

Es gibt keine Alternative zur Demokratie, keine Frage! Sie ist die beste aller möglichen Regierungsformen, aber noch immer keine allzu gute. Darüber darf, soll und muss diskutiert werden. Ihre Unzulänglichkeit hat keine wirkliche Alternative, aber sie zu verbessern, davon dürfen wir doch träumen, odr?

So wie die Zeit der Volkskirche vorbei ist, so auch die Zeit der Volksparteien. Die Wahlergebnisse nähern sich immer mehr dem Unentschieden an. Was aber ist dann eine demokratische, dem „Wählerwillen“ entsprechende  Regierungsbildung? Es wird keine einzelne Partei in Zukunft regieren können, in Österreich ist wohl zum letzten Mal eine Regierung aus zwei Parteien gebildet worden. Bei der nächsten Wahl wird sich auch das nicht mehr ausgehen. In Italien z.B. ist die Parteienlandschaft so differenziert und so fließend, dass nicht die Demokratie, sondern das Chaos regiert, und das seit langem. Das einzig Stabile sind korrupte und mafiotische Strukturen. Und das nennt sich dann Demokratie?

Sollten alle Parteien entsprechend ihrem Wahlergebnis in der Regierung vertreten sein? Könnte das wechselnde Mehrheiten in Sachfragen ermöglichen? Würde das zu mehr Vernunft oder zu mehr italienischen Verhältnissen führen?

Das Problem sind immer die Menschen

Aber die Organisationsform ist gar nicht das eigentliche Problem. Das wirkliche Problem ist, dass sowohl die Wähler/innen als auch die Gewählten Menschen sind. Die Wähler lassen sich manipulieren, siehe die aufstrebenden Rechtsparteien, die auf der Klaviatur der Ängste spielen, natürlich zu ihrem eigenen Vorteil. Und auch generell geht es um Macht und Machterhalt, genauso wie in Monarchien oder Diktaturen. Und damit sind wir bei der Kernfrage: Wie kann man eine Regierung dazu bringen, das zu tun, wofür sie gewählt wurde? Nämlich die Belange des Staates, des Volkes zu vertreten und nicht die eigenen Interessen. Dafür braucht es keine bestimmte Regierungsform, sondern vor allem einen bestimmten Menschentypus.

Damit sind wir unweigerlich bei Platon, der gemeint hat, dass Philosophen regieren sollten. Also diese heute vom Aussterben bedrohte Spezies. Zur Erinnerung: Philosophen sind diejenigen, die vorwiegend Fragen stellen, ohne vorzugeben, dass sie die Antwort hätten. Und sie fragen vor allem danach, was für den Menschen im Allgemeinen (und nicht für die eigene Tasche) wirklich wesentlich ist. Sie würden in einer Regierung fragen, was für die Menschen, die sie vertreten, wesentlich und gut ist.

Andererseits: Demokratie setzt auch mündige, vernünftige Bürger voraus. An deren Mangel scheitert die Demokratie. Da hilft eigentlich nur die Evolution. Ist der Mensch lernfähig oder nicht? Wir leben in einer Zeit der Ich-AGs, aber wirkliche Selbstbestimmung ist ein Fremdwort. Und Fremdbestimmung, Manipulation zerstören jede Demokratie.

Aber vielleicht brechen ja gerade jetzt andere Zeiten auf. Die Volkskirche ist passé, die imperiale Kirche ist passé, und in Krisenzeiten besinnt man sich auf das Wesentliche. Und auf das scheint der neue Papst hinzusteuern. Religion ist nicht Manipulation und Unterdrückung, sondern Hinführung zur Emanzipation von Fremdbestimmung hin zur Selbstbestimmung. Etwas ganz Neues und doch die alte Botschaft. Und Politik und Gesellschaft erfordern heute genau das. Es geht um das Volk Gottes in der Kirche – und um das mündige Volk in der Demokratie. So nahe waren Religion und Politik noch nie. Die Trennung von Staat und Kirche darf nicht angetastet werden, aber die Menschen sollten – in Staat und Kirche – endlich reif werden.

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